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Statement zu Stuttgart 21

Auch nach dem Baustart für Stuttgart 21 enden in der Landeshauptstadt die Debatten nicht. Aktuell wird der vorgesehene Abriss der Seitenflügel des Hauptbahnhofs diskutiert, insbesondere nachdem das Stuttgarter Landgericht die Urheberrechtsklage des Architekten Paul Dübbers zurückgewiesen hat. Mittlerweile hat der Bonatz-Enkel Berufung eingelegt. Mehrere Stuttgarter Architektinnen und Architekten haben sich in einem offenen Brief gegen die Planungen für den neuen Bahnhof und den Eingriff in das bestehende denkmalgeschützte Ensemble ausgesprochen. Gefordert wurde auch eine Stellungnahme der Architektenkammer.

Wie bei vielen anderen Projekten gibt es auch zu Stuttgart 21 unterschiedliche Meinungen, gerade auch innerhalb der Architektenschaft. Der Vorstand der Architektenkammer sieht es deshalb als wichtigste Kammeraufgabe an, erstens faire und transparente Verfahren zu fordern und zweitens die Umsetzung der Ergebnisse solcher Verfahren zu unterstützen.

Das gilt auch hier: die Planungen zu Stuttgart 21 basieren auf einer ganzen Reihe von konkurrierenden Planungsverfahren, sowohl für die städtebauliche Entwicklung der neuen Quartiere, als auch für den Hauptbahnhof selbst. Nach einem offenen europaweiten Architektenwettbewerb votierte das Preisgericht am 4. November 1997 einstimmig für den Entwurf der Architekten Ingenhoven, Overdiek, Kahlen und Partner aus Düsseldorf. Leider liegen aufgrund der Projektverzögerungen diese Verfahren bald 13 Jahre zurück und sind dadurch aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Nichtsdestotrotz gab es eine ordentliche Planungskultur, wie sie von der Architektenkammer auch an anderer Stelle immer wieder angemahnt wird. Der Landesvorstand der AKBW sieht deshalb auch nach erneuter Diskussion keinen Anlass, dieses Wettbewerbsergebnis in Frage zu stellen.  

» Hans Dieterle

 

Quelle: https://www.akbw.de/fileadmin/download/Freie_Dokumente/Leserbriefe_Stuttgart21/DiWettbewerbskulturDAB.pdf

 

Stuttgart 21 - Wo steht die Kammer heute und was kann sie tun? Überlegungen der FÜNF Vorsitzenden der Stuttgarter Kammergruppen

Es fällt schwer, in diesen Tagen der hochemotionalisierten Debatten um Stuttgart 21 das Wort zu ergreifen. In der - notwendigen - Auseinandersetzung um Legalität und Legitimität, die Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen, Baustopp und Volksbefragung droht ein Zielund Ausgangspunkt des ganzen Projektes beinahe in Vergessenheit zu geraten: Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Stuttgart. In dieser Situation sollte die Architektenkammer als Institution dafür sorgen, dass die Fachkompetenz ihrer Mitglieder in der öffentlichen Debatte wahrgenommen wird. Voraussetzung dafür ist nach unserer Meinung ein offenerer und differenzierterer Umgang mit dem Projekt.

Die Architektenkammer hat sich von Anfang an eindeutig als Befürworterin von Stuttgart 21 positioniert. Sie erkannte in dem Gesamtvorhaben große Chancen für die Stadtentwicklung in Stuttgart wie auch entlang der Bahnstrecke nach Ulm und sie versprach sich als berufsständische Vereinigung wirtschaftliche Vorteile für viele ihrer Mitglieder.

Über die Planung für den Umbau des Hauptbahnhofs wurde in einem fairen offenen Wettbewerb nach GRW entschieden, wie ihn die Kammer immer fordert. So war es auch hier zunächst eine Selbstverständlichkeit, den siegreichen Entwurf in der Öffentlichkeit zu verteidigen.

Aus der Überlegung heraus, dass die Kammer, wenn sie Einfluss nehmen will, von Politik und Wirtschaft als verlässlicher Gesprächspartner wahrgenommen werden muss, haben die Vorsitzenden der FÜNF Stuttgarter Kammergruppen diese Haltung der Kammerspitze lange Zeit mitgetragen, auch wenn wir viele Aspekte des Projekts durchaus kritisch gesehen haben.

Dass „die Architekten“ zu Stuttgart 21 keine einheitliche Meinung haben, ist nicht nur kammerintern sondern durch zahlreiche Wortmeldungen prominenter Kollegen längst auch in der Öffentlichkeit klar geworden. Eine neue Stellungnahme, die eine eindeutige Haltung „der Architektenschaft“ zum Projekt wiedergeben würde, kann es deshalb nicht geben. Die vielen unterschiedlichen Haltungen, die möglich und plausibel sind, sind viel klarer in individuellen Beiträgen zu artikulieren. Wir können als Kammer jedoch unsere Institution und ihre Organe zu einem offenen Forum für eben diese Meinungsvielfalt machen und damit die öffentliche Diskussion bereichern. Die Chance, die darin für die Wahrnehmung unserer Berufsgruppe in der Öffentlichkeit und vielleicht auch für den weiteren Umgang mit dem Projekt liegt, haben wir sicher zu spät erkannt. Wir sollten sie jetzt aber umso beherzter nutzen.

Der Schwerpunkt einer von der Kammer moderierten Debatte würde die Themen betreffen, in denen unsere Fachkompetenz liegt: Architektur, Städtebau, Stadtentwicklung. Die Vehemenz, mit der das Projekt Stuttgart 21 heute von großen Teilen der Stadtbevölkerung abgelehnt wird, hat sicher auch mit Fehlentwicklungen auf diesem Gebiet zu tun. Ob auf dem Killesberg, am Marienplatz, beim „Quartier S“ oder bei den bisherigen Planungen auf freigewordenen Gleisarealen: Städtebau in Stuttgart wird immer mehr als Abfolge von Großprojekten privater Investoren wahrgenommen, auf die die Bürger keinen und die Verwaltung wie der Gemeinderat nur geringen Einfluss haben. Auch die Bauverwaltung des Landes, die in der Vergangenheit so oft für hohe Baukultur stand, scheint in einigen ihrer jüngsten Projekten wie den Ministerien an der Neckarstraße und am Karlsplatz nach Art eines Finanzinvestors Grundstücksausnutzung und Rendite ins Zentrum aller Überlegungen zu stellen. Dies verstärkt das Unbehagen und das Misstrauen der Bürger.

In den Debattenbeiträgen und Veranstaltungen, die wir als Kammer anregen und organisieren, sollte es in erster Linie darum gehen, Alternativen zu dieser Form der Stadtentwicklung aufzuzeigen. In vielen vergleichbaren Städten gibt es bereits große, von der Bevölkerung aktiv mitgetragene Stadterneuerungsprojekte und es gibt auch in Stuttgart abseits der Großvorhaben vielversprechende Ansätze dazu. Der Bürgerprotest gegen Stuttgart 21, der bis heute friedlich abläuft und von einem hohen Maß an Neugier und Lernwille getragen ist, könnte durchaus den Anstoß dazu geben, dass sich in unserer Stadt dauerhaft eine neue Qualität der Bürgerbeteiligung und des engagierten Miteinanders bei der städtebaulichen Entwicklung etabliert. Wenn wir mit unseren Bemühungen hierzu beitragen könnten, wäre das ein Erfolg, der weit hinausreicht über Stuttgart 21 - oder was auch immer daraus wird.

Monika Daldrop-Weidmann, Thomas Herrmann, Freimut Jacobi, Mark Phillips, Peter Schell
Vorsitzende der FÜNF Stuttgarter Kammergruppen
 

 

Quelle: https://www.akbw.de/fileadmin/download/Freie_Dokumente/Leserbriefe_Stuttgart21/KaGrPositionspapiereDAB.pdf

 

Die Architektenkammergruppe Ulm spricht sich für eine Realisierung des Gesamtprojekts Stuttgart – Ulm aus

Mit Stuttgart 21 und der Neubautrasse nach Ulm profitiert Baden-Württemberg zeitnah von einem Ausbau der europäischen Bahn-Magistralen. Der Bau der ICE-Trasse Ulm – Wendlingen mit der Anbindung an den Flughafen ist zentraler Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der Regionen Bodensee-Oberschwaben und Ostwürttemberg sowie der Stadt und Region Ulm/Neu-Ulm.

Der in den 1980er Jahren von der Region gemeinsam erkämpfte Erhalt einer vollwertigen ICE-Anbindung ist ein Zukunftsbaustein für die gesamte Region und darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die aus diesem Erfolg entstandene Planung für Stuttgart 21 ist das Ergebnis eines fast 15-jährigen Planungsprozesses aus Studien, Wettbewerben und Bürgerbeteiligung.

Der Vorstand und der Beirat der Architektenkammergruppe Ulm/Alb-Donau sieht es als wichtige Aufgabe, nicht nur faire und transparente Verfahren zu fordern sondern auch die Umsetzung der Ergebnisse zu unterstützen. Neben dem abgeschlossenen Verfahren, sehen wir das Projekt S21 verknüpft mit der Neubaustrecke als unwiederbringliche Chance für Ulm und die Region. Die Qualität der zukünftigen Anbindung an Stuttgart und den Flughafen wird die weitere Entwicklung der Ulmer Innenstadt mit beeinflussen. Teil des Gesamtprojekts ist die Neugestaltung des Ulmer Bahnhofs mit der Chance, die durch die Bahnanlagen gegebene Zerschneidung der Stadt aufzulösen. Der Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Bahnhofs Ulm und der anschließenden Stadtviertel wird in den nächsten Wochen ausgelobt.

Wir Ulmer haben mit der Baustelle in der Neuen Mitte die Erfahrung gemacht, was es bedeutet, eine Wunde in der Stadtstruktur zu nähen und damit – neben der herausragenden Gebäudequalität – vor allem stadträumliche Qualität zu schaffen.

Es ist Zeit, dass nach den vielen Jahren der Planung mit der Realisierung begonnen wird.

Jens Rannow
Vorsitzender der Kammergruppe Ulm/Alb-Donau
 

 

Quelle: https://www.akbw.de/fileadmin/download/Freie_Dokumente/Leserbriefe_Stuttgart21/KaGrPositionspapiereDAB.pdf