Antwort der Architektenkammer Baden-Württemberg
auf den Offenen Brief

10. November 2010

Stuttgart 21 - Ihr Offener Brief

Sehr geehrte Frau Laufner,
sehr geehrter Herr Siegel, sehr geehrter Herr Kühfuß,

in Ihrem offenen Brief vom 20. Oktober 2010 stellen Sie einige Behauptungen und werfen zehn Fragen auf, zu denen ich gerne Stellung beziehe.

Der Vorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg hat sich zuletzt im Herbst 2007, damals gemeinsam mit dem BDA, der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg im Frühjahr 2008, damals gemeinsam mit dem Landesvorsitzenden des BDA, zum Thema Stuttgart 21 in Form einer schriftlichen öffentlichen Erklärung zu Wort gemeldet. Gerade weil uns selbstverständlich bewusst ist, dass es im Kreise der Mitglieder auch kritische Stimmen zur Stuttgart 21 gibt, haben wir bei diesen Erklärungen genau darauf geachtet, nicht im Namen aller (!) Architektinnen und Architekten zu sprechen, sondern im Namen des Landesvorstandes. Wie Sie wissen, sind die Vertreter der Architektinnen und Architekten auf Kammergruppen-, Bezirksund Landesebene in demokratischen Wahlen gewählt und haben nach dem Landesarchitektengesetz und der Satzung der Architektenkammer Baden-Württemberg ausdrücklich die Aufgabe zum Baugeschehen Stellung zu nehmen. 2010 ist wieder ein Kammerwahljahr. Die neu zusammengesetzte Landesvertreterversammlung wird Ende November zum ersten Ma! tagen. Das Thema Stuttgart 21 wurde von uns auf die Tagesordnung gesetzt. Bis zum Sommer diesen Jahres erhielten wir einzelne wenige Zuschriften zu diesem Projekt, wie wir sie auch zu anderen Bauprojekten (bspw. Stadthalle Heidelberg) erhalten. Ihren Vorwurf, dass von unserer Seite Meinungen oder Kritiken ausgeblendet worden wären, kann ich deshalb nicht teilen.

Zwischenzeitlich hat die Zahl der Schreiben seit der Sommerpause zugenommen, hält sich aber immer noch in sehr überschaubaren Grenzen. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Projektgegner mit unhinterfragter Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass sie die Mehrheitsmeinung innerhalb der Kollegenschaft vertreten. Uns erreichen jedoch genauso viele Schreiben von Mitgliedern, die eine dezidiert positive Haltung der Kammer zu Stuttgart 21 und den damaligen Wettbewerbsergebnissen einfordern.

Wir nehmen deshalb den mittlerweile sich in größerer Zahl artikulierten Diskussionsbedarf zum Anlass, eine Veranstaltungsreihe zu Stuttgart 21 zu konzipieren, um auch die Fragen, die Sie in Ihrem offenen Brief aufwerfen, zu diskutieren. Wir möchten uns hierfür zweier Kuratoren bedienen, mit denen wir derzeit erste Vorgespräche führen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf Ihre konkreten Fragen eingehen:

  1. Im Rahmen unseres Internet-Relaunches zum Jahreswechsel werden wir technisch in der Lage sein, Diskussionsforen zu eröffnen. In diesem Zusammenhang wird auch ein Forum zu Stuttgart 21 eingerichtet.

  2. Fakten zum Projekt Stuttgart 21 darzulegen, ist Aufgabe der Projektträger. Nur dort sind diese Informationen auch vollständig verfügbar.

  3. Die Frage, ob bei den Neuplanungen zu Stuttgart 21 die Seitenflügel des Bonatz-Baus erhalten oder abgerissen werden, wurde bereits im Vorfeld der Auslobung des europaweit ausgeschriebenen Wettbewerbs zum Bahnhof diskutiert und entschieden. Sowohl Kammer als auch Denkmalbehörde waren damals beteiligt. Festzuhalten bleibt, dass - übrigens zur Überraschung der Deutschen Bahn AG - das Preisgericht entschied, vier Wettbewerbsentwürfe in die Überarbeitungsphase zu übernehmen, die alle einen Abriss der Seitenflügel vorsahen.

  4. Bei der angedachten Veranstaltungsreihe innerhalb des Kollegenkreises werden sich auch die Stadtplaner und Landschaftsarchitekten äußern. An dieser Stelle sei lediglich angemerkt, dass der Wettbewerbssiegerentwurf von Ingenhoven nicht die „Zerstörung des Schlossgartens" vorsieht. Beeinträchtigt ist vielmehr ein 200 Meter breiter Geländestreifen, der sich im ersten Drittel insbesondere auf die heutige Cannstatter Straße und den anschließenden Bus-Bahnhof bezieht.

  5. Ein Versprechen „blühender Landschaften" ist uns nicht bekannt.

  6. bis 10. Eine stärkere Bürgerbeteiligung hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklungen ist sicherlich wünschenswert. Für eine „ergebnisoffene Diskussion" der verkehrstechnischen Planungen der Bahnanlagen erscheint es uns jedoch zu spät angesichts der Tatsache, dass mit erfolgreichem Abschluss der Planfeststellungsverfahren der Vorhabensträger Deutsche Bahn AG über ein rechtlich abgesichertes Baurecht verfügt. Aus zahlreichen Zuschriften bei anderen Projekten wissen wir, dass sich jede Architektin und jeder Architekt nach erteilter Baugenehmigung, verspätete Einsprüche gegen die eigenen Planungen ebenfalls verbietet.


Mit freundlichen Grüßen

Hans Dieterle