Warum Stuttgart 21 nicht kommen darf
Argumentensammlung in 12 Thesen
von Jürgen Schwab/Stand 7. Juni 2011
Inhalt:
I. Vorbemerkung
II. 12 Thesen
III. Nachdenkliches
IV. Fazit, Kompromißlinien und guter Rat
I. Vorbemerkung.
„Stuttgart 21 ist nicht das best geplante und kalkulierte Bahnprojekt, sondern ein falsches Konzept für die Region Stuttgart, mit entscheidenden Nachteilen, großen Risiken und immenser Geldverschwendung“.
Einst drohte der ehemalige CDU-Ministerpräsident Filbinger, das Licht würde ausgehen, falls es nichtzum Bau des Atomkraftwerks Wyhl käme. Was erreichte er damit? Etwas für ihn völlig Unerwarteteswurde geboren, nämlich die neue Partei der „Grünen“. Das was Filbinger eigentlich bezweckte, dieDurchsetzung des Atomkraftwerkes Wyhl, mißlang ihm gründlich. Wiederholt sich die Geschichte rund30 Jahre später?
Der vorerst letzte Ministerpräsidente der CDU, Stefan Mappus, versuchte buchstäblich mit aller Gewaltdas Projekt Stuttgart 21 durchzudrücken (wir erinnern uns an den Polizeieinsatz vom 30.9.2010 imMittleren Schloßgarten, bekannt als „schwarzer Donnerstag“). Gleichzeitig betrieb Stefan Mappus invorderster Front eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Das Ergebnis dieser Politik hat europaweit Aufsehen erregt: die durch Wyhl entstandenen Grünen werden stärkste Regierungspartei, ein grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde am 12. Mai 2011 gewählt, aber dieLaufzeitverlängerung der AKWs ist sehr unwahrscheinlich geworden. Stuttgart 21 ist womöglich demFriedhof für ungeliebte Großprojekte wie Kalkar, Wackersdorf, Wyhl oder Transrapid sehr nahegekommen.
Warum S 21 hoffentlich doch noch kippt und weshalb es auf gar keinen Fall gebaut werden darf, soll diefolgende Argumentensammlung aufzeigen. Diese Zusammenstellung entstand -unabhängig vomAktionsbündnis gegen Stuttgart 21- durch die Lektüre von Fachzeitschriften und Fachliteratur, aber auchdurch intensive Gespräche mit aktiven und ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Bahn, die den Betriebvon innen heraus kennen und schließlich durch eigene, fachübergreifende Überlegungen des Verfassers.Die hier zusammengestellten Fakten unterstützen das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, das sichunschätzbare Verdienste für die Aufklärung einer durch steuergeldfinanzierte Propaganda verunsichertenÖffentlichkeit erworben hat.
Vorab die vier wichtigsten Argumente dieses Papiers gegen Stuttgart 21 in Kürze.
a) Der sogenannte integrale Taktfahrplan, der Fahrplan der Zukunft, wird durch S 21 unmöglich,würde aber zwanglos bereits im unrenovierten Kopfbahnhof funktionieren. (Vgl. dazu die genialeUntersuchung „...Nullknoten ist möglich“... von Professor Dr.Wolfgang Hesse, München, publiziert inder „Eisenbahn Revue international“ 3/2011) Durch Stuttgart 21 werden wir also abgehängt, nichtjedoch durch die Beibehaltung des Kopfbahnhofes. Es ist demnach genau andersherum, wie die ständigenBeteuerungen von CDU/FDP/SPD und IHK suggerieren, denn der Fernverkehr in Form von TGV undICE fährt den Stuttgarter Bahnhof immer an, egal ob Durchgangs- oder Kopfbahnhof: gestern, heute und morgen.
b) Der geplante Tiefbahnhof wird 250% der Strommenge verbrauchen gegenüber dem jetzigen größerenKopfbahnhof. Diese Energieverschwendung ist nach Fukushima als absolutes k.o. Kriterium zu werten!
c) Das weitgehend kriegszerstörte Stuttgart verlöre mit dem zerschnittenen Schloßgarten und denvernichteten Baudenkmalen weitere entscheidende historische Bezugspunkte.
d) Die für Stuttgart 21 eingesetzten finanziellen Mitteln übersteigen jedes rationale Maß. Würde man mitdemselben Standard das gesamte deutsche Bahnnetz renovieren wollen, wäre der absolute Staatsbankrottdie unweigerliche Folge. Gleichzeitig verschlechtert Stuttgart 21 den Großknoten Stuttgart in signifikanterWeise. Es verkürzen sich zwar einige Fahrzeiten; viele aber werden deutlich länger. Vor allem dieUmsteigezeiten werden durch Stuttgart 21 wesentlich ungünstiger. Die Vernichtung großer Teile der vorhandenen Bahninfrastruktur zugunsten einer nur noch 8-gleisigen U-Haltestelle nimmt dem Bahnknoten Stuttgart jedes Entwicklungspotenzial für die Zukunft. Gleichzeitig erzeugt Stuttgart 21 ein verspätungsanfälliges Nadelöhr. Diese Meinung vertritt sogar eine Bundesbehörde, dasBundesumweltamt.
Ich möchte in meinem Papier nicht alle Argumente gegen Stuttgart 21 nennen, die Broschüre „K 21, dieAlternative zu Stuttgart 21“ des Aktionsbündnisses bietet eine umfassendere Dokumentation zu allenentscheidenden Themenbereichen (Fahrplan, Mineralwasser, Architektur, Demokratie, usw.). VorliegendesPapier betont einige Facetten besonders bzw. arbeitet zusätzliche wesentliche Punkte heraus.
Im einzelnen werden 12 Thesen aufgestellt:
- Wir werden durch S 21 abgehängt, weil der Fahrplan der Zukunft, der „Deutschlandtakt“ durch S 21 ausgeschlossen ist!
- Der Service der Bahn und die Qualität des Fern-, Nah- und Regionalverkehrs leiden durch Stuttgart 21.
- Die deutsche Variante des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist extrem energiefressend und mithin umweltfeindlich.
- Stuttgart 21 wirkt als unbewußtes oder bewußtes Hemmnis gegen private Wettbewerber der Deutschen Bahn
- Stuttgart 21 wirkt sich zumindest in der Bauphase negativ auf die Stuttgarter Straßenbahnen aus.
- Stuttgart 21 verschlechtert massiv die gesamte Zulaufstreckensituation in der Region.
- Die Bahnhofsgestaltung bei Stuttgart 21 hat negative Konsequenzen für den Betrieb und für viele Verbindungen in die Peripherie des Landes.
- Es gibt keine Kostenwahrheit bei Stuttgart 21/Beispiel S 60.
- Die Entscheidungszeiträume bei Stuttgart 21 waren bewußt kurz bemessen, um das Projekt möglichst geräuschlos durchzudrücken.
- Die sogenannte Flughafenanbindung bei Stuttgart 21 ist als durchsichtige Propaganda zu werten.
- In anderen Ländern werden große Kopfbahnhöfe renoviert und allenfalls durch zusätzliche kleine Tiefbahnhöfe ergänzt.
- Die durch die IGA 1993 geschaffene Vernetzung der Stuttgarter Parks wird durch Stuttgart 21 konterkariert
II. Die einzelnen Thesen
1.These: Wir werden durch S 21 abgehängt, weil der Fahrplan der Zukunft, der „Deutschlandtakt“ durch S 21 ausgeschlossen ist!
Noch in der Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21, Anlage 1 Seite 4, heißt es: ....“Besonders dieKonzeption eines integralen Takfahrplans (ITF) ...profitiert davon in idealer Weise“. Heute will man leider bei der Bahn und bei CDU/FDP von einem integralen Taktfahrplan nichts mehr wissen, weil maninzwischen offensichtlich verstanden hat, daß Stuttgart 21 mit seinen nur 8 Bahnhofsgleisen für einen ITFbei weitem zu knapp bemessen ist.Was steht in der Koalitionsvereinbarung von Grün-Rot? „Wir unterstützen das Leitbild „Deutschlandtakt“ für einen bundesweiten integralen Taktfahrplan im Fernverkehr und werden uns gegenüber dem Bund für dessen Umsetzungeinsetzen....“ Weiß die SPD überhaupt, was sie da unterschrieben hat? Wahrscheinlich ist ihr nicht bewußt, daß dieseAussage für Menschen, die das logische Denken noch nicht verlernt haben, das Ende von Stuttgart 21bedeutet.
Laut der Untersuchung von Prof. Dr. Wolfgang Hesse in der Fachzeitschrift „Eisenbahn Revueinternational“ (3/2011) erfordert ein integraler Taktfahrplan für einen sogenannten „Vollknoten“ inStuttgart mindestens 14 Bahnhofsgleise, unabhängig von der Fragestellung Kopfbahnhof oderDurchgangsbahnhof.
Nur unser jetziger, 17-gleisiger Kopfbahnhof kann dies leisten.Prof. Hesse stellt ferner fest:
„Übrigens halten vergleichbare Bahnhöfe ähnliche Kapazitäten vor: Nürnberg mit drei Vierteln desStuttgarter Verkehrsaufkommens hat 21 Durchgangsgleise (davon 18 an Bahnsteigkanten). Zürich HBhat mit einem um 35% höheren Verkehrsaufkommen 22 Gleise im Kopfbahnhof sowie vierDurchgangsgleise und bietet ideale Verkehrsverknüpfungen mit einem in Europa einzigartigen Knoten-und Fahrplankonzept.“
Der Knotenbahnhof Bologna wurde auf 20 Gleise, davon 15 Durchgangsgleise erweitert. Bologna,Nürnberg und Stuttgart sind aber deutlich kleiner als Stuttgart. Für das großspurig „das neue HerzEuropas“ genannte Stuttgart 21 sollen mindestens 4,5 Milliarden, womöglich aber weitaus mehrausgegeben werden, nur um den Bahnhof in seiner Größe zu halbieren und den integralen Taktfahrplan zuverhindern!
Die Initiative „Deutschlandtakt“, getragen von Verbänden, Politikern aller Parteien, Industrie- undHandelskammern und Bahnplanern will einen deutschlandweiten Integralen Taktfahrplan erreichen. Esgeht „Deutschlandtakt“ um folgende Ziele:
a) kurze Umsteigezeiten b) hohe Reisegeschwindigkeitc) große Zwischentaktlücken für mehr Güterverkehrd) Streckenneu- und Ausbauten bestimmt durch den Fahrplan, nicht umgekehrt. Diese Vorgehensweise ist weitaus kostengünstiger und wird den Verzicht auf manche Neubaustreckeermöglichenene) leicht merkbare Fahrpläne, gleiche Abfahrtszeiten an allen Vollknoten. f) mindestens 100 % Steigerung des Personenverkehrs auf der Schiene.
Der Regional- und Nahverkehr stieg in den letzten Jahren laut Deutschlandtakt durch die Vorstufe desITF, den Taktfahrplan um 50% im Nah- und Regionalverkehr, während der Fernverkehr seit 1997 ca.20% einbüßte. Sollte eine neue Bundesregierung den Deutschlandtakt einführen, dann wird Stuttgart und Baden-Württemberg gerade durch S 21 abgehängt, weil selbst S 21 plus lediglich 30%Zuwachs ermöglicht, niemals jedoch 100%!
Einige Zahlen untermauern die Notwendigkeit eines Deutschlandtaktes.Die grundlegende Statistik stammt aus dem Jahr 1998, aktuellere Statistiken sind kaum zu bekommen.Wo es neuere Zahlen gibt, sind diese beigefügt.
a) Durchschnittliche Anzahl der Reisenden pro Tag und Strecke bei den einzelnen Bahnen:
Platz 1: Niederlande Platz 2: Schweiz Beide Länder verfügen über einen integralen Taktfahrplan
b) Jährlich zurückgelegte Kilometer per Bahn
Schweiz: 1742km (1802 mit Lötschbergbahn) 2009km laut Statistik 2006 Dänemark: 945km, 1047km laut Statistik 2006 Niederlande: 926 Deutschland: 727 Die ersten drei Länder (Schweiz, Dänemark, Niederlande) verfügen über einen integralen Taktfahrplan.Es liegen bei den Kilometern noch mehr Länder vor Deutschland, u.a.Japan: 1969 kmFrankreich: 1051km, 1282 km laut Statistik 2006In Japan und Frankreich gibt es ein Hochgeschwindigkeitsnetz mit extrem hoherDurchschnittsgeschwindigkeit.
c) Anzahl Zugfahrten pro Jahr
Schweiz: 37 Fahrten, laut Statistik 2006 44 Fahrten Dänemark: 27 Fahrten, laut Statistik 2006 29 Fahrten Niederlande: 20 Fahrten, laut Statistik 2006 20 Fahrten Deutschland: 16, laut Statistik 2006 22 Fahrten. In der Schweiz und Dänemark machen sich die integralen Taktfahrpläne ganz offensichtlich bezahlt,ebenso in den Niederlanden. Da in Holland jedoch häufig sogar ein Viertelstundentakt besteht, scheinenweitere Steigerungen kaum mehr möglich. In Deutschland wurden gegenüber 1998 etliche Taktfahrpläneeingeführt und einige Inseln mit annäherndem integralen Taktfahrplan. Die Steigerungen bei denZugfahrten geben dem Konzept recht. Es ist auf diesem Hintergrund gut vorstellbar, daß ein vollständigerITF namens „Deutschland-Takt“ zu ähnlich guten Zahlen führen wird, wie bei der Schweiz mit ihremvergleichbar strukturierten Netz. Auch das vergleichsweise dünn besiedelte Dänemark mit den wenigenGroßzentren Kopenhagen, Odense und Aarhus konnte die Anzahl der Zugfahrten pro Einwohner weitersteigern.
d) Durchschnittliches Zugangebot pro Tag und Strecke
Platz 1: Niederlande mit 110 Zügen/TagPlatz 2: Schweiz mit 85 Zügen/TagDie Niederlande liegen vor der Schweiz, weil es dort z.T. sogar einen 15-Min.-Takt gibt.
e) Anzahl der Reisenden pro Zug
Platz 1: Italien Platz 2:Frankreich Platz 3: Schweiz Italien und Frankreich: Hier wirkt sich das Hochgeschwindigkeitsnetz mitDurchschnittsgeschwindigkeiten um 200 km/h und darüber günstig aus (bei gleichzeitig wenigen Halten),in der Schweiz liegt es ganz eindeutig an den sprunghaft gestiegenen Fahrgastzahlen durch den integralenTaktfahrplan.
Ertrag der eingesetzten Mittel
Laut der „Eisenbahn Revue international“ (2/2011, Seite 93, es wird das „Primon-Gutachten zitiert)wendet die Schweiz 2,4 Cent pro Personenkilometer Bahn auf, Deutschland hingegen ca. das Dreifache,nämlich 7.0 Cent!
Damit ist schlagend bewiesen: der integrale Taktfahrplan nützt den Reisenden, dem Steuerzahler und dem Staat! Somit kann man mit Fug und Recht behaupten, daß das Ignorieren der Perspektive„Integraler Taktfahrplan“ als logische Konsequenz aus dem Bau von Stuttgart 21 Politikversagen inreinster Form darstellt!
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Schweiz nur 2,4 Cent/km bezahlt,a) obwohl das Land viel teurer vom Lohn/Preisniveau her gesehen ist,b) trotz der extremen topographischen Schwierigigkeiten für die Bahn,c) auch erhalten die Eidgenossen keine EU-Mittel für den Personenverkehr,d) dafür befördern die Schweizer Bahnen ca. doppelt so viele Personen (siehe oben) unde) haben ein viel besser in Schuß gehaltenes Netz.
Das sogenannte „Primon-Gutachten“ vergleicht DB und SBB direkt. Daraus ergibt sich: Wollte man dasDeutsche Bahnnetz ähnlich qualifiziert betreiben, wie das Schweizer Netz, würde wesentlich mehrLeistung erbracht bei womöglich sinkenden Staatszuschüssen. Dies funktioniert jedoch nicht mitkontraproduktiven Prestigeobjekten wie Stuttgart 21 oder etlichen der Neubaustrecken der DB, was dieweiteren Thesen zeigen werden.
2.These: Der Service der Bahn und die Qualität des Fern-, Nah- und Regionalverkehrs leiden durch Stuttgart 21.
Wer weiß heute schon, welcher Bahnverkehr in 20, 30 oder gar 40 Jahren stattfindet?Es gibt immer noch Bahnen, die im Gegensatz zur DB Gepäckwagen einsetzen (das könnte fürFlughafenzubringer wichtig werden, heute ist es bereits der Fahrradtransport), der echte Speisewagenkönnte wieder in Mode kommen, Schlafwagen, Kurswagen etc. Wie soll so etwas im viel zu kleinenTiefbahnhof laufen?
Betriebsarten im Kopfbahnhof
Der Kopfbahnhof in Stuttgart wickelte in seiner Geschichte mühelos unterschiedlichste Betriebskonzepteab. a) Die Dampflokzeit mit umfangreicher Lokbehandlung und Lokwechselb) Die Bundesbahnepoche mit Dampf-, Diesel- und elektrischem Betrieb und dem komplettenNahverkehr, der sich heute gleichsam in der S-Bahn „versteckt „c) die Epoche der DB-AG mit Wendezügen ohne Lokwechsel, mit ICE und TGVd) Der Kopfbahnhof kann auch den integralen Taktfahrplan, das Verkehrskonzept der Moderne (sieheThese 1)!
Was kann demgegenüber der Tiefbahnhof?
Stuttgart 21 kann all dies nicht. S 21 wurde zu einer Zeit geplant, als der integrale Taktfahrplan und dieBilligflieger noch kein Thema waren und als der Lokwechsel beim der Einfahrt in den Kopfbahnhof nochan der Tagesordnung war. Von daher ist das Gerede, der Kopfbahnhof sei „ans Ende seinerKapazität gekommen“, das uns in den Propagandabroschüren zu Stuttgart 21 begegnet, eine dreiste Lüge, die helfen soll, die Notwendigkeit eines unnötigen Bahnhofsneubaues zu begründen.Der Tiefbahnhof kann nur sein einziges und eingeschränktes Fahrplankonzept, wer weiß, ob das nichtschon in 10 Jahren völlig überholt sein wird? Im Grunde ist dieses Konzept bereits heute veraltet, dennintegrale Taktfahrpläne entstehen inzwischen auch in Tschechien und Frankreich (neben den zuvorgenannten Ländern).
Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß der Kopfbahnhof am 10.7.1970 zur Spitzenstunde 18locker 67 Züge leistete! (Die theoretische Höchstgrenze liegt bei 74 Zügen/Stunde). Der Tiefbahnhof solljetzt bei dem sogenannten Stresstest beweisen, daß er 49 Züge pro Stunde bewältigen kann, in der Realitätdürften es eher nur 42 sein.
Eine neue Studie von Dr. Christoph M. Engelhardt, erschienen in der Eisenbahn Revue international(Juninummer 2011) kommt zu dem Schluß, daß Stuttgart 21 bei Lichte betrachtet sogar eineLeistungsgrenze von nur 32 Zügen pro Stunde hat. Der Vergleich mit ähnlich großenDurchgangsbahnhöfen im In- und Ausland beweist die Plausibilität dieser Aussage (Z.B. der neue Hbfin Wien, vorgesehene Inbetriebnahme 2015, 400 geplante Züge pro Tag auf 8 Gleisen, S 21 will aufauch nur 8 Gleisen 936 täglich Züge abfertigen !!)
Der Kopfbahnhof, dem von den Projektbefürwortern das Ende seiner Leistungsfähigkeit attestiert wird,muß momentan zur Stunde 7 nur ein Maximum von 38 Zügen erlauben, er schafft aber fast das Doppelte!Wer dies nicht glaubt, der sei an folgendes erinnert: der gesamte Nahverkehr, der seit 1978 von der S-Bahn in einem eigenständigen Tiefbahnhof übernommen wurde, wurde bis 1978 ebenfalls imKopfbahnhof abgewickelt, inklusive des damaligen Lokwechsel-, Kurs- und Gepäckwagenbetriebes, den es heute nicht mehr gibt! Die Projektbetreiber behaupteten noch Mitte 2010, daß der Tiefbahnhof Stuttgart21 das Doppelte gegenüber dem Kopfbahnhof leisten würde, dabei ist es in Wahrheit gerade umgekehrt!
Vorausschauender Umgang mit Bahninfrastruktur
Durch den Bau des S-Bahn Tiefbahnhofes wurden im Kopfbahnhof zusätzliche Kapazitäten frei, dieeigentlich für Angebotssteigerungen und einen integralen Taktfahrplan hochwillkommen sind! Stattdessenwürde diese einmalige Chance durch Stuttgart 21 vernichtet! Eine Grundregel sollte sein, daß niemalsohne Not Bahninfrastruktur aufgegeben wird, eine solche in einem dichtbesiedelten Land, wieDeutschland mit seinem zähen Planungsrecht neu aufzubauen, ist extrem schwierig, teuer und mit vielerleiWiderständen verbunden. Was vorhanden und sinnvoll ist, sollte unter allen Umständen erhalten werden.So verweigert etwa die Reutlinger Oberbürgermeisterin, Barbara Bosch, die Bebauung des ehemaligenGüterbahnhofs. Sie möchte die Fläche der Bahn erhalten, falls wieder mehr Güterverkehr auf der Schienestattfindet. Würde das Areal bebaut, wäre diese Option zerstört.
Abbau bei der Deutschen Bahn
Zwischen 1998 und 2009 baute die Deutsche Bahn 36% ihrer Weichen ab. Seither fehlende Ausweichmöglichkeiten führen zu Verspätungen und Fahrzeitverlängerungen. Ein Beispiel, das vielfachSchlagzeilen produzierte, ist Fornsbach auf der eingleisigen Murrbahn. Die aus blinder Sparwut entfernteideale Kreuzungsmöglichkeit in Fornsbach vernichtet wieder die durch die teure Strecken-Elektrifizierunggewonnene Fahrzeit. Stattdessen bummeln die Züge langsamer, um die verlorene Fahrzeit vor denFahrgästen „zu verstecken“ und/oder warten in Murrhardt auf ihre Gegenzüge.
Zwischen 2 000 und 2010 wurden bei der DB 33% der Arbeitsplätze abgebaut. Neu eingestelltes Personalversteht ältere Anlagen, wie analoge Stellwerke, nicht mehr. Ältere, erfahrene Mitarbeiter wurden entlassenund mit ihnen ging ihr Wissen.
Einseitige Bevorzugung des Fernverkehrs.
Die Anzahl der Reisenden im Fernverkehr erreichte im Jahr 1997 einen Gipfel von 152 MillionenReisenden im Jahr (1991 waren es 137 Millionen). Bis zum Jahr 2003 fiel die Zahl dramatisch auf nurnoch 115 Millionen. Eine leichte Erholung fand statt bis zu den Jahren 2008 und 2009 mit jeweils 123Millionen Fahrgästen. Am Gesamtverkehr der Bahn war der Fernverkehr nur mit ca. 5% beteiligt (2,37Milliarden Reisende), zog aber über die Neubaustrecken den Löwenanteil der Investitionen auf sich.
(Quelle: Statistisches Bundesamt bzw. Datei Railway long distance transportation germany.png).
Das beweist ernüchternd: all die zweistelligen Milliardeninvestitionen in die Neubaustrecken haben nichts gebracht! Gleichzeitig gibt es für den Nah-, Regional- und Güterverkehr hoheSteigerungsraten und ungenutzte Potenziale. Diese Chancen bleiben, vor allem für den Güterverkehr,ungenutzt, weil fast alles Geld in den Hochgeschwindigkeitsverkehr gesteckt wird. Ein Stop von Stuttgart21 und der NBS Wendlingen-Ulm würde genügend finanzielle Mittel freisetzen, um den Güterverkehr aufder Schiene zu verdoppeln! Im nächsten Kapitel werde ich zeigen, daß dies auch unterUmweltgesichtspunkten sehr sinnvoll wäre!
3. These: „Die deutsche Variante des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist extrem energiefressend und mithin umweltfeindlich“.
(Stuttgart 21 und die Neubaustrecke werden in erster Linie für den schnellen Fernverkehr gebaut)
Zu der Frage des Primärenergieverbrauchs bei der Deutschen Bahn gibt es bohrende Fragen!
Gewöhnlich wird davon ausgegangen, daß ein Flugzeug pro Fahrgast dreimal so viel Energie verbraucht,wie der Bahnfernverkehr. Erst ein mit vier Personen besetzter PKW kommt nach landläufiger Auffassungan die Werte der Bahn heran. Aber gilt dies auch für unseren Hochgeschwindigkeitsverkehr? Neuere Studien kommen hier zu alarmierenden Ergebnissen. Demnach sind moderne, energiesparende Flugzeugeim Verhältnis zur Bahn wesentlich umweltfreundlicher, als bisher angenommen. Auch beim immersparsamer fahrenden PKW werden im direkten Vergleich zur Bahn unangenehme Fragen laut.
In der F.A.Z. 2007 veröffentlichte Studie
Eine Studie, die in der F.A.Z. publiziert wurde, kommt zu dem Ergebnis, daß ein (durchschnittlich) mit 1,5Personen besetzter PKW im Fernverkehr pro Person 5,2 Liter Kraftstoff verbraucht, die Bahnumgerechnet 3,5 Liter. (Die von der Bahn selbst angegebene Zahl ist niedriger, in dieser Studie sind aberdie Energieverbräuche durch die Infrastruktur, also Bahnhöfe, Netz und Zuleitungsverluste miteingerechnet). Da das Auto aber von Haus zu Haus fährt, der Bahnhof jedoch in der Regel erst einmalangefahren werden muß, und da auch am Zielbahnhof meist ein weiteres Verkehrsmittel erforderlich ist,wurde ein zusätzlicher Primärenergieeinsatz von durchschnittlich 14% ermittelt. Damit erreicht die Bahneinen Wert von äquivalent 3,9l Verbrauch pro Person.
Jetzt kommt aber ein weiterer, beunruhigender Faktor ins Spiel. Der DB Fernverkehr, der sichhauptsächlich auf den energieaufwändigen ICE stützt, kann den Vorsprung beim Verbrauch und beimCO2 nur dann halten, wenn die durchschnittliche Zugauslastung von 43%, die von der Bahnkommuniziert wird, stimmt. Dieser Faktor sprang vor etlichen Jahren plötzlich von einem deutlichniedrigeren Level (ca 33%) durch eine nicht transparent erläuterte „neue Zählweise“auf das seitherwesentlich höhere Niveau. Die Frage ist, ob dies auch berechtigt ist. Kritiker wenden ein, daß dieSchweizer SBB, die am stärksten frequentierte Bahngesellschaft Europas, bei ihrem Fernverkehr die Zahlvon 28% Auslastung nennt. Die Schweizer sind ein Vorbild an Offenheit und Transparenz. Die DB hältihre Basiszahlen, wie auch bei der Pünktlichkeit, weitgehend geheim. Scheut sie etwa den Vergleich mitanderen europäischen Bahnen?
Geht man hypothetisch einmal davon aus, daß bei einer Schweizer Zählweise die DB auch nur auf 28%Auslastung käme, dann läge der Primärenergieeinsatz, äquivalent zum PKW gerechnet, bei satten 5,9l proPerson. Der PKW wäre dann umweltfreundlicher!
Studie der Ludwig Bölkow-Stiftung
Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, daß ein ICE 3, der eine Reisegeschwindigkeit von 300/km/h fährt,einen Energieverbrauch verursacht, der einem Verbrauch beim KFZ von 3,9 Liter pro Insasse entspräche.(Also derselbe Wert, den die Studie der F.A.Z. ermittelte) Bei 200km/h hingegen werden analog nur 2,0Liter pro Fahrgast beansprucht. Eine Beschleunigung von 0 auf 150 km/h verbraucht nach dieserUntersuchung dieselbe Energie, wie eine Beschleunigung von 200 km/h auf 250 km/h.
Umgang anderer Länder mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr
In Frankreich, Italien und Spanien wird darauf geachtet, daß TGV, Freccia Rossa etc. möglichst langeohne Halt fahren. Auf Deutschland übertragen hieße das, daß ein ICE nach der Abfahrt in Stuttgartfrühestens in München Halt machen dürfte, der Stuttgarter Flughafen wäre als Stop absolut tabu, genausoUlm und Augsburg. Wollte man die Knoten Ulm und Augsburg trotzdem bedienen, hieße das womöglichbei einem Halbstundentakt im Schnellverkehr, daß ein Zug Ulm, der andere Augsburg bedient. Ausenergetischer bzw. fahrdynamischer Sicht ist es aber auf jeden Fall absoluter Irrsinn, einen ICE vonStuttgart Mitte auf die Filder hinaufzwingen, um nach dem Halt am Stuttgarter Flughafen wieder insNeckartal bei Wendlingen abzusteigen. Die Züge müssen bei der Einfahrt in den Tiefbahnhof starkbremsen und, im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof, wo man auf der Ebene abfährt, gegen einestarke Steigung anfahren. In Frankreich und Italien werden die entsprechenden Schnell-Strecken indichtem Minutentakt ausgenützt, Nürnberg-Erfurt wird für einen Zug pro Stunde und Richtung gebaut,Wendlingen Ulm für 2-3 Züge.
Großmäuliges Statement von Hartmut Mehdorn
Der frühere Bahnvorstand Hartmut Mehdorn behauptete einst in einem seiner vielen Anfälle vonGrößenwahn, ein ICE 3 würde beim Anfahren soviel Strom ziehen wie eine Kleinstadt von 5 000Einwohnern an einem ganzen Tag. Das ist laut Experten, die nachgerechnet haben, zwar mindestens umdas 5-fache übertrieben, aber das Anfahren eines solchen gegenüber herkömmlichen Zügen extrem stark motorisierten Zuges verbraucht nachweislich gewaltige Energiemengen.
Energieeinsatz im Güterverkehr
Beim Güterverkehr auf der Bahn kommen die Studien zu wesentlich günstigeren Ergebnissen. DerStraßenverkehr verbraucht für die Beförderung der selben Menge an Gütern 4,8 Liter Diesel im Vergleichzu umgerechnet 1,8 Liter Diesel bei der Bahn.Eine starke Förderung des Schienengüterverkehrs wäre also für unsere Umwelt ein Segen und würde unsvon Mineralölimporten unabhängiger machen.
Trassierung der NeubaustreckenDie Strecken über den Westerwald (Köln-Frankfurt), die im Bau befindlichen Strecken über denThüringer Wald (Nürnberg-Erfurt) und die Schwäbische Alb (Wendlingen-Ulm) überquerenmerkwürdiger Weise die genannten Mittelgebirge an ihren Scheitelpunkten. Anders gesagt, diese Strecken sind energetisch und fahrdynamisch durch ihre extremen und langen SteigungenFehlplanungen. (Spielen hier die bei 17-23% liegenden Planungskosten, sprich Provisionen für dieBahn eine Rolle? Wird hier bewußt umständlich gebaut, um möglichst hohe Summen staatlicherZuschüsse abzugreifen?) Selbst der Stuttgart-21-Befürworter Prof. Martin geht bei derNeubaustrecke nach Ulm von enem Strom-Mehrverbrauch von 18% aus.
Trassierung der Zulaufstrecken bei Stuttgart 21
Jeder Zug, der beim bisherigen Kopfbahnhof in der Ebene abfährt, muß beim Tiefbahnhof 16 Meter tiefergegen eine starke Steigung anfahren, 650 Züge am Tag wären das heute. Bei S 21 erklimmt derFilderaufstiegstunnel nahezu die komplette Höhe der Filderebene, der weniger steile Tunnel desAlternativprojektes würde die Bundesautobahn auf viel niedrigerem Niveau bei Denkendorf erreichen.
Die Bahn speist zwar bei der Talfahrt Bremsenergie wieder zurück ins Netz, wie sie immer wieder stolzverkündet. Dieser Effekt wird von der Deutschen Bahn aber propagandistisch überhöht. Es handelt sichdabei gerade mal um 8% des Energieeinsatzes. In anderen Ländern, der Schweiz etwa, ist dieser Wert weithöher und dort wird seit rund 70 Jahren (!) Energie beim Bremsen zurückgegeben ins Fahrleitungsnetz.Was hier für die Neubaustrecken gilt, gilt genauso für die Neutrassierungen im Rahmen von Stuttgart 21.Energieeinsparung und Fahrdynamik scheinen hier absolute Fremdwörter zu sein.
Erzeugung der zum Einsatz kommenden Energie
50 % des Bahnstromes kommt aus Kohlekraftwerken, immerhin 26% aus Atomkraftwerken. ImGroßraum Stuttgart stammt der Bahnstrom aus dem AKW Neckarwestheim. Neben diesem AKW errichtet die Deutsche Bahn für 46 Millionen Euro auf dem Gemmrigheimer Feld gerade eine drei Hektar große eigene Anlage. Damit kann ab 2012 der Atomstrom direkt ins Bahnnetz eingespeist werden. Damit zementiert die Bahn die Abhängigkeit vom Atomstrom für lange Zeit. Bahnchef Grube gehörte zu den Erstunterzeichnern der Laufzeit-Verlängerung der deutschenAtomkraftwerke. Die Bahn ist von Anfang an zu 20% am AKW Neckarwestheim beteiligt! Die Bahnverwendet nur 0,6% Windenergie, der Durchschnitt liegt republikweit bei 8%! Im Gegensatz zur DBsteigt die Schweizer Bahn, die SBB, aufgrund der Ereignisse von Fukushima bewußt aus der Atomkraftaus. Begründet wird dies mit der moralischen und gesellschaftlichen Verantwortung, die solch einöffentliches unternehmen nun einmal hat.. Leider muß die Bahn im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern Emissionsrechte kaufen. Zugute haltendarf man der Bahn auch ihr gründliches Energiespartraining der Lokomotivführer. Auf dem Hintergrundder oben genannten Zahlen erscheint dies allerdings auch als bitter notwendig.
Was kann man aus diesen Fakten schließen?
Der wichtigste Grund für das Bahnfahren, der auch von der Bahn selbst eifrig in den Vordergrund gestelltwird, sind die unbestreitbaren Vorteile hinsichtlich der Umweltbelastung gegenüber dem PKW und demFlugzeug. Wenn diese Vorteile angesichts katastrophaler Umweltprobleme aber zum Tragen kommensollen, dann zeigen die genannten Überlegungen, daß die Hochgeschwindigkeitsphilosophie derDeutschen Bahn und der deutschen Politik in dieser Form ein Irrweg ist. Wenn PKWs und Flugzeugeimmer weniger verbrauchen, die Bahn aber immer mehr, dann verspielt die Bahn über kurz oder lang ihren entscheidenden Trumpf.
Hohe Reisegeschwindigkeit mit alternativen Mitteln
In Schweden erreicht der X-2000 Zug, der sich meist auf 200 km/h beschränkt, zwischen Malmö undStockholm eine deutlich höhere Reisegeschwindigkeit wie der ICE zwischen Stuttgart und Hamburg. Diebeiden Strecken sind etwa gleichlang und die Anzahl der Haltepunkte ist etwa die gleiche, trotzdem ist derX-2000 mindestens 20 Minuten schneller, in Einzelfällen fast eine Stunde! Ohne auf Geschwindigkeitenvon nahe 300km/h zu beschleunigen, erreicht der X-2000 ab Malmö nach ca. 4 1/2 Stunden Fahrt sein Ziel Stockholm. Der X-2000 setzt auf Neigetechnik, um Kurven schneller befahren zu können und aufbegradigte Strecken. Der ICE hingegen benötigt Neubaustrecken und fährt bis zu 280 km/h imRegelbetrieb. Schweden und andere Länder bauen den Zug nach der Strecke, Deutschland aber dieStrecken nach dem Zug. Was teurer und energieaufwändiger ist ist, liegt auf der Hand.
Sinnvoller Umgang mit der Hochgeschwindigkeit
Geschwindigkeiten von deutlich über 200 km/h werden -aus Verbrauchsgründen- in Schweden (X-2000)und den USA (Acela-train) abgelehnt. Werden sie dennoch gefahren, wie etwa in Spanien, Italien oderFrankreich, plant man aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und im Interesse einer hohenDurchschnittsgeschwindigkeit kaum Halte ein. Ansonsten würde sich die Bahn wie die ökologischverheerenden Kurzstreckenflieger verhalten, denn Hochgeschwindigkeitszüge verbrauchen bei der Anfahrtbis zum Erreichen der Reisegeschwindigkeit sehr viel Energie, analog zum Startvorgang eines Flugzeuges.Darum gibt es in Frankreich, Italien und Spanien auch keine sinnlosen Halte von Hochgeschwindigkeitszügen wie etwa in Montabaur oder wie der geplante Halt an einem nachrangigen Flughafen wie Stuttgart.Der große internationale Flughafen in der Nähe ist Frankfurt, in kaum mehr als einer Stunde per Bahn zuerreichen. Es leuchtet nicht ein, warum der ICE z.B. den Transatlantik-Reisenden in kürzester Zeit zumStuttgarter Flughafen bringen soll, damit der Reisende einen womöglich im Preis inbegriffenenKurzstreckenflug nach Frankfurt unternimmt, um anschließend auf den Langstreckenflieger umzusteigen.Besser ist es, der Reisende (beispielsweise aus Ulm) bleibt im ICE sitzen bis Frankfurt-Flughafen.
Wie wird die Bahn konkurrenzfähig ohne einen Cent auszugeben?
Die günstigste Maßnahme, um die Bahn konkurrenzfähig zu machen, wird in allen Staaten der Weltpraktiziert, außer in Deutschland: ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, das laut Umfragenvon 72% der Bevölkerung gefordert wird und nur Vorteile brächte:a) weniger Unfälleb) geringerer Kraftstoffverbrauchc) höhere Kapazität der Autobahnend) preisgünstigerer Ausbaustandard auf den Autobahnen (Italien 33% gegenüber BRD)Das Ergebnis all dieser Überlegungen ist: Ausbau der Bahn ja, der Zustand unserer Umwelt erzwingt diesgeradezu. Nur muß auch die Bahn sich bei ihren Fahrzeugen und Streckenbauten an die Maxime derUmweltfreundlichkeit halten, ansonsten wird sie nicht nur uninteressant im Fernverkehrsondern auchunglaubwürdig.
Bauweise der Fahrzeuge im Hochgeschwindigkeitsverkehr
Andere Bahnen setzen auf durch Jakobsdrehgestelle verbundene Triebwagenzüge, dabei liegt je eineAchse unter dem Ende eines Wagenkastens, das aus zwei Achsen bestehende Drehgestell verbindet dieEinzelwagen stabil. Drei Hauptvorteile kennzeichnen dieses Prinzip:
- Größere Laufruhe
- Fast 50% weniger Achsen, also weniger Gewicht und Energieeinsparung
- Größere Sicherheit im Falle einer Entgleisung.
Ein Unglück wie in Eschede hätte bei einem Zug mit Jakobsdrehgestellen nicht zu über 100 Totengeführt. Diese Drehgestelle wirken wie die Wirbel eines Rückgrates und halten den Zug im Falle einerEntgleisung aufrecht und stabil, während Einzelwagen ineinandergeschoben werden, umfallen oder sichziehharmonikaartig zusammenziehen. Warum läßt die Deutsche Bahn ihre Hochgeschwindigkeitszüge immer noch nach dem überholten Einzelwagenprinzip bauen? Unfälle in den Nachbarländern gingenselbst bei sehr hohen Geschwindigkeiten immer glimpflich aus. Warum will die Deutsche Bahn woandersnichts lernen?
Der Unterbau der ICE ist aerodynamisch viel ungünstiger als im Ausland. Warum werden hier keineKonsequenzen gezogen?
4. These: „Stuttgart 21 wirkt als unbewußtes oder bewußtes Hemmnis gegen private Wettbewerber der Deutschen Bahn“
Wie man auch in anderen Ländern sehen kann, gefährdet das neue europäische Signalsystem privateMitbewerber, also auch bei S 21 (Einbau pro Fahrzeug: 300 000 Euro). Da die Einfahrt vonDieselfahrzeugen bei S 21 verboten ist, kann man getrost davon ausgehen, daß S 21 alsWettbewerbsverhinderer auf der Schiene wirkt. Die starken Steigungen im Filderaufstiegstunnel werdenWettbewerber mit weniger kräftigen Triebfahrzeugen ausschließen. Die privaten Mitbewerber der DBerhielten vor etlichen Jahren absichtlich keine überzähligen E-Loks aus den Beständen der DB. (Ganz imGegensatz zu Schweden, wo alle Gesellschaften, also auch die ehemalige Staatsbahn SJ, gleichberechtigtmit dem vorhandenen Rollmaterial bedacht wurden). Die deutschen Privat-Güterbahnen mußten sich mituralten, luftverschmutzenden, längst abgeschriebenen russischen und norwegischen Dieselloks eindecken.Mit Steuergeldern finanzierte, noch relativ moderne E-Loks, die noch längst nicht verschrottungsreifwaren, wanderten in den Schneidbrenner. Die „Eisenbahn-Revue-international“ schreibt in ihrerAusgabe 3/2011, daß die privaten Konkurrenten der Bahn mittlerweile modernste Elektrolokomotivenbeschafft haben, die energiesparender sind, als die der DB AG!
Die DB AG konterkariert diese Bemühungen im Interesse unserer Umwelt durch schikanöseFahrplangestaltungen, die häufiges Anfahren und Bremsen der schweren Güterzüge der Privatenbedingen. Gleichzeitig sorgt die DB durch ihr Monopol beim Bahnstrom für finanzielleBenachteiligungen der Privaten.
5. These: „Stuttgart 21 wirkt sich zumindest in der Bauphase negativ auf die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) aus“.
(Und die S-Bahn und auf den Straßenverkehr).
K 21 tangiert die SSB nicht, aber S 21 verursacht für das Ausgraben und Neuverlegen der SSB-Tunnels131,1 Millionen Euro Kosten! (noch ohne die Bereiche Untertürkheim-Feuerbach)Laut einem Artikel in der STZ vom 20.9.2009 müssen die Linien U1, U2 und U4 längere Zeit umgeleitetwerden. Ein klares Dementi der SSB steht immer noch aus. Die Stadionlinie U11 würde durch diese Maßnahme längere Zeit entfallen.Für die Unterbrechung des Stadtbahntunnels Heilbronnerstraße hat die SSB an den Gleisen derU5,6,7,12, und 15 Gleiswechsel-Weichen zum Umkehren verlegt. Diese Kosten gehören auch zu S 21!Die Linie U 13 entlang des Bahngeländes zwischen Bad-Cannstatt und Untertürkheim wird ebenfallsstark beeinträchtigt werden.Bei S 21 wird der S-Bahnbetrieb leiden in der Bauphase, der Stadtbahn und der Straßenverkehr werdenmassivst beeinträchtigt an den beiden Hauptkreuzungen Schiller/Willy Brandtstraße undSchiller/Friedrichstraße!Die bergmännisch zu bauenden neuen Tunnelröhren der Stadtbahn zwischen Hbf und Türlenstraße undder Bahn werden sich nur mit minimaler Überdeckung schneiden, bisher ist überhaupt nicht klar, wie dasstatisch beherrscht werden kann.
6. These: „Stuttgart 21 verschlechtert massiv die gesamte Zulaufstreckensituation in der Region“
Bei den Zulaufstrecken zum Bahnhof kommt es infolge von Stuttgart 21 zu dramatischen Reduktionen. Wo bisher weitgehend kreuzungsfrei mit Überwerfungsbauten gearbeitet wurde, und woes nur eine (übrigens erst seit dem S-Bahn-Bau 1978) kurze eingleisige Stelle gab, gibt es plötzlich jedeMenge niveaugleicher Kreuzungen und eingleisige Stellen. Diese erzeugen Zwangspunkte und machensomit eine freie Fahrplangestaltung je nach tatsächlichem Bedarf völlig unmöglich. Noch beim S-Bahn-Bau Ende der 70er Jahre des 20.Jahrhunderts legte man etwa in Stuttgart-Zuffenhausen darauf Wert, daßdie maximal vier abzweigenden S-Bahnen pro Stunde der Linie S 6 den Gegenverkehr mittels einesÜberwerfungsbauwerkes nicht behindern. Bei Stuttgart 21 werden Züge in den Bereichen Rohr,Wendlingen, Nürnberger Straße etc. niveaugleich Gegengleise überqueren. Besonders auf der sehr dichtbefahrenen viergleisigen Strecke im Bereich der Nürnberger Straße kann man dies nur als schwersten Planungsfehler einordnen. Frage: Würde sich ein Autofahrer eine Autobahneinfahrt gefallen lassen, beider die Gegenfahrbahn überquert werden muß? Genau solcher Murks droht bei Stuttgart 21 zuhauf!
Die vorhandenen Zulaufstrecken sind ungeeignet für einen Durchgangsbahnhof.
Der Pfusch bei der Stuttgart 21 Planung entsteht zwangsläufig dadurch, daß sich das vorhandeneStreckennetz auf dem Hintergrund des Kopfbahnhofes entwickelt hat. Der geplanteDurchgangsbahnhof paßt nicht zu diesem Strecken-„Baum“, dessen „Stamm“ der Kopfbahnhof ist. So kann es passieren, daß man in Zukunft auf dem Weg von Esslingen nach Bad-Cannstatt desöfteren absurderweise zuerst über den Hauptbahnhof fahren muß, eine Zone mehr im Verbundtarif wirdfällig werden und die Fahrzeit verlängert sich, ggf. wird sogar ein Umsteigen erforderlich. Für diese unbefriedigende Situation ist einzig der systemfremde Durchgangsbahnhof verantwortlich, der neben unbestrittenen Fahrzeitverkürzungen eben auch deutliche Fahrzeitverlängerungen für vieleBetroffene produzieren wird! All diese gravierenden Nachteile werden natürlich in den Werbebroschüren
für S 21 geflissentlich verschwiegen!
Gäubahntrasse
Im Konzept Stuttgart 21 ist die eigenständige Trasse der Gäubahn überflüssig und nicht richtigintegrierbar. Trotzdem ist die Gäubahntrasse Vaihingen-Westbahnhof-Hauptbahnhof unverzichtbar für den Gesamtknoten Stuttgart, auch aus diesem Blickwinkel ist Stuttgart 21 abzulehnen. Die Gründe hierfür sind im einzelnen: a) Die Gäubahn hat bisher eine eigene Trasse und somit eine praktisch 100%tige Fahrplanstabilität.b) Die Fahrzeit ist deutlich kürzer als bei dem geplanten Umweg über den Flughafen, der niveaugleicheKreuzungen in Rohr, Mischverkehr mit der S-Bahn und eingleisige Abschnitte vorsieht.c) Die Gäubahn dient bisher im Störungsfall bei der S-Bahn, der durchschnittlich einmal monatlichauftritt, als willkommener Bypass für die S-Bahnlinien S1-3. Damit bleibt der Flughafen auch imStörungsfall erreichbar.d) Die Gäubahn dient für Dutzende Güterzüge täglich als Umleitung, wenn die GüterzugumfahrungKornwestheim-Korntal-Renningen-Sindelfingen gesperrt ist. Stünde die Gäubahntrasse nicht mehr zurVerfügung, wäre der Südwesten unseres Landes bei Bauarbeiten oder Störungen an der Umfahrung fürden Güterzugverkehr nicht erreichbar.e) Die Gäubahntrasse ist bisher im Bereich Nordbahnhof über ein Gleisdreieck optimal an die StreckeHauptbahnhof-Feuerbach angebunden. Aus der Sicht des Verfassers darf diese exzellente Anbindungniemals dem Städtebau geopfert werden.
Eingleisige Abschnitte bei Stuttgart 21 und ihre möglichen Folgen
Folgendes kleine Beispiel soll die Problematik erläutern: Die SSB hat bei ihrem Stadtbahnbau 2005 einenkurzen eingleisigen Abschnitt auf der U 2 eingebaut, der zuvor doppelgleisig war. Bei ihrem neuenFahrplan „Netz 2011“ findet die Kreuzung der Bahnen der U 2 aufgrund übergeordneterÜberlegungenen ausgerechnet in diesem Bereich in der Schmidener Straße statt, ständige Verspätungensind die Folge. Bei den viel ausgedehnteren eingleisigen Stellen und den weitaus längeren Zügen bei derDB werden sich eingleisige Stellen wirklich verheerend auswirken. Der bisher laut Stiftung Warentest pünklichste Großbahnhof (Kopfbahnhof Stuttgart) wird genauso unpünktlich werden, wie viele anderegroße Durchgangsbahnhöfe in Deutschland, die Verspätungen nicht mehr abpuffern, sondern nur nochweitergeben können.
Im Kopfbahnhof sind mehr gleichzeitig ein- und ausfahrende Züge möglichDer jetzige Kopfbahnhof verfügt derzeit über 9 Zu- und Ablaufstrecken (es wären sogar 11 Zu- und Ablaufgleise bei wieder durchgehend doppelgleisigem Ausbau der Gäubahn und Verwendung desnoch existierenden Gütergleises Kornwestheim-Hbf nutzbar, letzteres erfordert allerdings aufgrund derZusammenführung mit dem stadteinwärtigen Gleis der S-Bahn im Bereich Feuerbacher Bahnhof eine5.Tunnelröhre im Pragtunnel. Dieses Gütergleis liegt durch den Abbau des Güterbahnhofes neben demKopfbahnhof seit Jahren brach, es wird nur noch zu Umleitungen verwendet.). Der Tiefbahnhof besitzt nur 8 nicht kreuzungsfreie Zu- und Abläufe. Mit anderen Worten: in den Kopfbahnhof können gleichzeitig 9-11 Züge ein- und ausfahren, in den Tiefbahnhof nur 8 Züge. 40 möglichen Fahrstraßen im Tiefbahnhof stehen 164 Regelzugfahrstraßen im Kopfbahnhof gegenüber! Somit ist dervorhandene Kopfbahnhof vier mal flexibler! Die Gäubahn, immerhin die ehemalige Magistrale Zürich-Berlin, verliert im Großraum Stuttgart durch S 21 ihre eigene Trasse und wird gezwungen, die Gleise derFlughafen-S-Bahnen S 2 und S 3 mit zu benutzen. Im Flughafenbahnhof wird der S-Bahn eines derbeiden Gleise weggenommen, das andere erhält der Fernverkehr. Hier ist ein planerisches Chaosvorgesehen, das inzwischen bereits das Eisenbahnbundesamt alarmiert hat. Es ist absolut unverzeihlich,wenn für viele Milliarden eine bisher optimale Infrastruktur gegenüber einer unflexiblen, beengten zerstörtwird.
Trassierung der Strecke Rohr-Flughafen
Die Trassierung dieser Linie, die bisher nur von S-Bahnen befahren wird, erfolgte aus Ersparnisgründenauf der Basis der ehemaligen Nebenbahn Rohr-Leinfelden. Diese ist mit ihren engen Kurvenradien undden somit niedrigen Höchstgeschwindigkeiten eigentlich einer S-Bahn unwürdig, jetzt soll sie plötzlichsogar mit ICEs befahren werden! War eine Maxime von Stuttgart 21 nicht ein schnellerer Bahnverkehr?Die besagte Trasse dürfte eigentlich aus heutiger Sicht allenfalls für eine Straßen- oder Stadtbahndurchgehen. Sie soll niveaugleich an der Rohrer Kurve angebunden werden und im Bereich desFlughafens für den Fern- und S-Bahnverkehr nur noch je eingleisig ausgeführt werden.Kapazitätsminderung ist die zwingende Folge, in Zukunft zunehmender Bahnverkehr hat keinen Platz,Fahrplanstabilität wird der Vergangenheit angehören.
7. These: „Die Bahnhofsgestaltung bei Stuttgart 21 hat negative Konsequenzen auf den Betrieb und für viele Verbindungen in die Peripherie des Landes“
Für den neuen Tiefbahnhof sind nur 8 Gleise vorgesehen, nur jeweils 5 können von jeder beliebigenRichtung angesteuert werden. Wartegleise und Bereitstellungsgleise gibt es nicht, abzustellende Züge sindkilometerweit bis Untertürkheim zu fahren- sie mindern die Kapazität der Tunnelröhren; sie verursachenunnötige Trassenpreise und überflüssigen Stromverbrauch. Der Kopfbahnhof hingegen besitzt einennahegelegenen Abstellbahnhof beim Rosensteinpark der auf eigenen Gleisen unabhängig angefahren wird. Das führt beim Kopfbahnhof zu einem uneinholbaren Vorsprung bei der Kapazität!
Auch einige Vertreter des Konzeptes K 21 schlagen vor, den Abstellbahnhof nach Untertürkheim zuverlegen (aus städtebaulichen Gründen). Aus Eisenbahn-technischen Gründen ist dies abzulehnen, auchwürde in Untertürkheim weiteres wertvolles Güterbahnhofgelände für diesen Zweck geopfert.Im neuen Tiefbahnhof wird, bei gleichem und in Zukunft sogar steigendem Verkehr nur noch die halbe Bahnsteigfläche angeboten. Unerträgliches Gedränge wird die Folge sein vor allem imBerufsverkehr. Im bisherigen Kopfbahnhof ist jedes einzelne Gleis ohne eine einzige Treppe ebenerdig erreichbar, ohne eine einzige Stufe gelangt man auch in die große Halle, um sich etwas zuessen oder eine Zeitung zu kaufen. Rollstuhlfahrer, Menschen die auf Rollatoren angewiesen sind,Kinderwagen, Fahrräder- idealer geht es nicht als im Kopfbahnhof. Auch das Argument der langen Wegebeim Umsteigen um die Prellböcke herum sticht nicht mehr. Erstens gibt es unter den Gleisen eineUnterführung, für diejenigen, denen das Treppensteigen nichts ausmacht, außerdem benötigen im Zeitalterder Doppelstockwagen nur noch ganz wenige Züge die volle Bahnsteiglänge.
Das eisenbahntechnisch vielleicht größte Manko des geplanten Tiefbahnhofes ist sein regelwidriges Gefälle von 15,9 Promille.
Eine ausführliche Darstellung dieses eigentlich kriminellen Sachverhaltes findet sich in der EisenbahnRevue international 12/2010 auf den Seiten 637ff.
So etwas ist bei S-Bahnstationen und Straßenbahnhaltestellen durchaus tolerabel, nicht aber bei dergroßen Eisenbahn. Gleisdoppelbelegungen und Bahnsteigwenden sind bei diesem Gefälle nicht zulässigund daher im Regelbetrieb nicht möglich. Nach der eisenbahnrechtlichen Definition verliert der Stuttgarter Bahnhof damit seinen Status als Bahnhof, er wird zur Haltestelle degradiert. Bei einemechten Bahnhof ist nämlich die Möglichkeit einer Bahnsteigwende Bedingung. Nun könnte maneinwenden, der Sinn des Durchgangsbahnhofes sei es ja gerade, daß Züge durchfahren. Trotzdem werdenbei manchen Relationen, etwa beim IC Nürnberg-Karlsruhe, Bahnsteigwenden erforderlich aufgrund dervorhandenen Streckenstruktur (sogenanntes „Kopfmachen“). Diese Verbindungen müssenvoraussichtlich für den Tiefbahnhof geopfert werden, die vorgeschlagenen Ersatz-Notlösungen für die zustreichenden Verbindungen verursachen so große Fahrzeitverlängerungen, Umwege und Behinderungenanderer Züge, daß sie nicht ernsthaft in Betracht kommen werden. Als maximale Längsneigung bei einemBahnhof waren bisher 0,25 Promille zulässig, kürzlich wurde der Wert auf 0,16 Promille verschärft. In Stuttgart würde dank Stuttgart 21 europaweit der einzige Großbahnhof neu (!!) erbaut mit einem Gefälle von 15,9 Promille! Daß das Eisenbahnbundesamt diese Planung durchgehen ließ, ist eingroßer Skandal.
Der Tiefbahnhof schließt andere Traktionsarten als die elektrische aus ! In den neuen Tiefbahnhof dürfen nur elektrische Fahrzeuge einfahren; dieselbetriebene Direktverbindungen an den Bodensee und in den Raum Hechingen entfallen durch Stuttgart
21. Die Gäubahn muß einen die Fahrzeit verlängernden Umweg nehmen, und Bad-Cannstatt wird auf vielen Relationen nur noch über den Umweg Stuttgart Hbf-tief erreicht (aus dem Filstal bzw. dem oberenNeckartal). Viele Umsteigebeziehungen werden durch S 21 an wesentlich längeren Wartezeiten leiden, während einige wenige profitieren. Beim Alternativprojekt K 21 hingegen gewinnen alleNutzer. Die viel gepriesenen sogenannten Durchmesserlinien bei Stuttgart 21 sind bei genauerer Analysehäufig als Bluff zu werten. Sie entstehen unvermeidlich, weil die Züge im Durchgangsbahnhofbekanntlich weiterfahren müssen, ungeachtet des tatsächlichen Bedarfes. Was ist zum Beispiel (alsextremes Beispiel) mit einem durchgehenden Zug Ulm-Stuttgart-Aalen gewonnen? Durchmesserlinienwären im Kopfbahnhof genauso möglich, aus wirtschaftlichen Gründen bedient man aber bisher lieber dieeinzelnen Linienäste mit passenden Zuggarnituren, und fährt nicht auf einem Ast voll besetzt und auf demanderen halbleer.
Durch Stuttgart 21 werden bisher umsteigefreie Verbindungen gekappt
Während für Stuttgart 21 mit den angeblich so wichtigen Durchmesserlinien geworben wird,
verschwinden gleichzeitig gerade wegen Stuttgart 21 wichtige durchgehende Verbindungen.
Einige Beispiele:a) Nürnberg Karlsruhe (Ursache: keine Bahnsteigwende zulässig, siehe oben)b) Stuttgart-Friedrichshafen (Ursache: keine Elektrifizierundg auf der Südbahn)c) Stuttgart-Hechingen (Ursache: keine Elektrifizierung auf der Zollernbahn)
Stuttgart ist ein Bahnhof, bei dem die allermeisten Fahrgäste aus, ein- oder umsteigen.
Stuttgart ist, zumal als Landeshauptstadt, für die ganz große Mehrheit der Reisenden Ziel oder Beginnihrer Fahrt. Günstiger wäre es, durch einen integralen Taktfahrplan Umsteigebeziehungen in jedeRichtung innerhalb weniger Minuten anzubieten. Im Tiefbahnhof werden, aufgrund der nur 8 Gleise, vieleReisende im Extremfall bis zu einer knappen Stunde auf ihren Anschluß warten.
Wie werden umsteigende Reisende durch Stuttgart 21 empfangen?
Im Kopfbahnhof wird man, auch beim Umsteigen (nicht nur wenn man in die Stadt weitergeht) von derhohen Haupthalle weltstädtisch stilvoll und akustisch angenehm empfangen- ein Ort der Begegnung unddes Abschieds, für den bequemen Kauf einer Zeitung, eines Buches oder einer kleinen Erfrischung. Diese Halle ist die wahre Visitenkarte der Stadt. Die neue, bei Stuttgart 21 geplante Empfangshalle wäre nur noch eine niedrige, dunkel-dumpfe Verteilerhöhle, von den Gleisen ausschließlich durch Treppen,Rolltreppen und Aufzüge erreichbar, ein optisch und von der Geräuschkulisse her unangenehmer,gruftiger Science-Fiction-Ort-niemals die neue Visitenkarte der Stadt, wie in der Werbung für Stuttgart 21vollmundig behauptet.
Dampflokfreunde sind von Stuttgart 21 überhaupt nicht begeistert.
Was für dieselbetriebene Fahrzeuge gilt, die bei großflächigen Stromausfällen einen Notbetriebaufrechterhalten könnten, wenn der Tiefbahnhof nicht gebaut würde, gilt auch für die beliebtenDampfloksonderfahrten. Weder Diesel- noch dampfbetriebene Triebfahrzeuge dürfen Stuttgart 21anfahren.
Sind Kopfbahnhöfe wieder im Kommen?
Galten Kopfbahnhöfe vor einigen Jahren noch aus technischen Gründen als veraltet, spielen heute andereGesichtspunkte eine wichtigere Rolle. Die Lokwechsel gehören im Zeitalter der Triebwagen undSteuerwagen der Vergangenheit an, das zentrale Argument für den Durchgangsbahnhof ist also entfallen.Auch die Haltezeit spricht nicht gegen den Kopfbahnhof. Die im Tiefbahnhof angenommenen 1-2Minuten sind völlig unrealistisch, das findet sich bei entsprechenden Bahnhöfen nicht im Inland und erstrecht nicht im Ausland. Die extrem schnellen Freccia rossa in Italien beispielsweise gewähren recht langeAufenthaltszeiten auf den Unterwegsbahnhöfen. In den Mittelmeerländern schafft man so auch einenPuffer gegen Verspätungen und fährt trotzdem durchschnittlich viel schneller als hierzulande. Die Spaniergewähren daher ab 5 Minuten Verspätung Reisepreiserstattungen!Selbst zur Dampflokzeit waren 4-6 Minuten inklusive Lokwechsel bei durchgehenden internationalenSchnellzügen im Stuttgarter Kopfbahnhof der Normalfall.Kopfbahnhöfe haben aus heutiger Sicht vor allem vier Vorteile:a) das Umsteigen geschieht ebenerdig und bequem, die Haupthalle ist sofort erreichtb) Kopfbahnhöfe sind barrierefreic) Kopfbahnhöfe puffern Verspätungen besser ab durch ihre höhere Gleiszahl d) Kopfbahnhöfe leisten integrale Taktfahrpläne, weil sie mehr Gleise vorhalten müssen alsDurchgangsbahnhöfe.
Beispiel Union Station Chicago
Neben durchgehenden Regionalverkehrsgleisen der Gesellschaft Metra weist dieser Bahnhof für denFernverkehr strukturell eigentlich 12 Durchgangsgleise auf, die aber in der Mitte durch einen Gangunterbrochen sind. Dadurch entstehen gleichsam zwei miteinander verbundene Kopfbahnhöfe mitinsgesamt 24 Gleisen, 12 nach Süden, 12 nach Norden. Begründet wird dies wie folgt:a) Das Gepäck gelangt ebenerdig von Gleis zu Gleis.b) Da in Chicago vor allem ein, um. oder ausgestiegen wird (wie in Stuttgart), erreichen Reisende ihrenAnschlußzug ohne eine einzige Treppe nach wenigen Metern.c) Barrierefreiheit wird in den USA viel ernster genommen als bei uns. Rollstuhlfahrer, Rollatoren,Kofferkulis und dergleichen mehr haben es in Chicago daher ganz einfach.
8. These: „Es gibt keine Kostenwahrheit bei S 21/Beispiel S 60“
Die S 60 Böblingen-Rutesheim (Rankbachbahn) ist viele Jahre verzögert und immer noch nicht fertig, DieKosten sind inzwischen von 93 Millionen auf über 150 Millionen explodiert (Quelle STZ).Der Kostensteigerungsfaktor beträgt bisher: 1,61. Auf S 21 plus hochgerechnet ergeben sich cirka 9,3Milliarden... (Die Kostensteigerungen bei den Neubaustrecken Köln-Frankfurt und Nürnberg-Ingolstadt erreichteneinen Faktor 2,3 bzw. 1,8, das bedeutet auf Stuttgart 21 übertrageneinen zweistelligen Milliardenbetrag. Dazu paßt, daß Schweizer Experten, die sich bei Tunnelbautenbestens auskennen, für Stuttgart 21 (66 geplante Tunnelkilometer) Kosten von bis zu 11 Milliarden Euronicht ausschließen wollen. In ihrer Berechnung vergleichen diese Experten den fast 10km kürzeren Gotthard-Basistunnel und seine Kosten mit Stuttgart 21, wo immerhin 66 km Tunnelröhren geplant sind.
9. These: „Die Entscheidungszeiträume bei S 21 waren bewußt kurz bemessen, um das Projekt möglichst geräuschlos durchzudrücken“
Die Gemeinderäte hatten nur drei Tage zur Entscheidungsfindung.Am 24.2.1994 unterschrieb Heinz Dürr einen Informationsvermerk zuerst gegen S 21/am 18. April 1994nur sechs Wochen später stellte Heinz Dürr das Projekt einer staunenden bis entsetzten Öffentlichkeitvor. In diesen sechs Wochen konnte unmöglich eine fahrplantechnische Prüfung des Gesamtprojektesvorgenommen werden. (Quelle: „Eisenbahn-Revue international“ 2010/11)
10. These: „Die sogenannte Flughafenanbindung bei Stuttgart 21 ist als durchsichtige Propaganda zu werten“.
Der Flughafen ist über die S 2 und die S 3 bereits gut angebunden. Wenn eine bessere Flughafen-und Messeanbindung so wichtig wäre, könnte man den Stuttgarter Airport schon heute, mühelos quasi im Vorlauf zu S 21/K 21 besser anbinden. Und zwar ohne einen Meter Gleis neu bauen zu müssen! Beispiele:a) Halt der Regionalzüge in S-Vaihingen oder Rohr zwecks Umstieg in die S 2 und S 3.b) Elektrotriebwagen der S-Bahn-ähnlichen Baureihe ET 425 können ab Würzburg oder Karlsruhe oderAalen/Crailsheim z.B. als RE oder IRE ab Hbf weiterfahren auf der Gäubahn, Fahrzeit Hbf-Flughafen 18Minuten, bei Halt in Vaihingen oder Rohr oder Leinfelden 20 Minuten.
Daß dies nicht gemacht wird, beweist, daß entweder kein Bedarf dafür vorhanden ist oder daß man diedurch S-21 erzielten Fahrzeitgewinne besonders drastisch aussehen lassen will.
Mangels Nachfrage fährt derzeit nur jede zweite S 2 und S 3 in der HVZ zum Flughafen.
Es ist nicht Aufgabe der Bahn, einen nachrangigen Flughafen wie Stuttgart an den Hochgeschwindigkeitsverkehr anzubinden, und dadurch die Menschen erst recht zum Fliegen zu animieren.
Es kann und darf auch nicht Aufgabe der Bahn sein, die fragwürdige Entscheidung, die Messe an denFlughafen zu verlegen, im nachhinein zu rechtfertigen. Auf dem Killesberg schrieb die Messe schwarzeZahlen, erst 1993 wurde sie mit dreistelligem Millionenaufwand an das Stuttgarter Stadtbahn-Netzangeschlossen, mit nur 5 Minuten Fahrzeit ab Stuttgart Hauptbahnhof! An ihrem neuen Standort schreibtdie Messe jetzt rote Zahlen. Es ist absolut nicht einzusehen, daß durch eine unwirtschaftlicheFlughafenanbindung diese unökonomische Investition nachträglich legitimiert werden soll.
Ist der Flughafenanschluß über die NBS Stuttgart-Ulm überhaupt bequem?
Bei Stuttgart 21 wird der Airport vom Hauptbahnhof aus angeblich in nur 8 Minuten angefahren. Wer ausdem Umland kommt, muß hierfür in aller Regel umsteigen und verliert teilweise viel Zeit. Mangelsintegralem Taktfahrplan wird ein passender Anschluß an einen Zug, der den Filderaufstiegstunnel befährt,eher Zufall sein. Sitzt ein Reisender aber bereits in der S2 oder S3 oder hat er am Hauptbahnhof tief (S-Bahnstation) einen zweiminütigen Anschluß von einer anderen S-Bahn her, wird er mit seinem womöglichschweren Gepäck lieber sitzenbleiben, denn er landet schließlich mit der S-Bahn direkt am Terminal. Derzweite Flughafenbahnhof, der im Zuge der NBS Stuttgart-Ulm entstehen soll, liegt fast 30m tief. Alleinebis man an der Oberfläche angelangt und zum Terminal gelaufen ist, vergeht genausoviel Zeit, wie wennman die preisgünstig zum Verbundtarif nutzbare Express-S-Bahn bei K 20 oder K 21 nützt! Diese aberbringt die Reisenden komfortabler Weise direkt ans Ziel!
Wollte man auch die Räume Tübingen/Göppingen/Ulm durch Regional- und S-Bahnverkehr besser anden Flughafen und die Filder anbinden, könnte man die Flughafenstrecke nach Wendlingen verlängern.Das würde höchstens ein paar Prozent gegenüber dem Gesamtpaket Stuttgart 21 kosten.
Die optimale Lösung wäre es allerdings, den Flughafen durch die geplante Ring-S-Bahn desAlternativprojektes K 21 zu erschließen. Dieses exzellente Konzept, das auch den Raum Bad-Cannstatterstklassig an die Filder, die Messe und den Flughafen anbindet, ist jedoch nur dann wirtschaftlich, wennauch die Neubaustrecke nach Ulm kommt.
11. These: „In anderen Ländern werden große Kopfbahnhöfe renoviert und allenfalls durch zusätzliche kleine Tiefbahnhöfe ergänzt“.
Zürich: Ein beeindruckendes Beispiel ist der Ausbau des Züricher Kopfbahnhofes, die Kosten lagenangeblich bei 435 000 000 Euro. Ein im „Stern“veröffentlichtes Geheimpapier der DB nennt für denetwas kleineren Kopfbahnhof in Stuttgart 340 000 000 Euro. Das paßt gut zu dem Züricher Wert. Inihren offiziellen Verlautbarungen arbeitet die Bahn allerdings mit einem Milliardenbetrag, ganzoffensichtlich um die Öffentlichkeit davon abzuschrecken, über eine Renovation des Kopfbahnhofeüberhaupt erst nachzudenken.
Malmö: Der Kopfbahnhofes Malmö wurde ohne jeden Abstrich beibehalten, ein zusätzlicherTiefbahnhof verbindet eine neue Strecke unter der Stadt mit dem Kopfbahnhof, ein neuer Stadteil (an derPeripherie, kein Abriß historischer Gebäude ist erfolgt) wird hauptsächlich durch die Bahn erschlossen,vorerst verkehren 350 zusätzliche Züge pro Tag, 450 sind geplant!! (Zum Vergleich Stuttgart heuteetwa 650 Züge,). Das Projekt war eine Milliarde schwedische Kronen billiger als geplant und ein Jahrfrüher fertig als vorgesehen, Die Bauzeit lag deutlich unter zehn Jahren, dabei ist Malmö gerade mal einDrittel so groß wie Stuttgart (Gesamtkosten unter 1 Milliarde Euro). Die Zulaufstrecken sind sehr gutgestaltet, es handelt sich hier um ein absolutes Lehrbeispiel für K 21- die Projektbefürworter haben eingroßes Eigentor geschossen, als sie Malmö im Sommer 2010 als Argument für ihr Projekt in der STZverwendet haben.
Mailand: Der Hauptbahnhof von Mailand, ein großer Kopfbahnhof, wurde außerordentlichkundenfreundlich renoviert.
12. These „Die durch die IGA 1993 geschaffene Vernetzung der Stuttgarter Parks wird durch Stuttgart 21 konterkariert“
Die vielen reizvollen Stuttgarter Parkanlagen schenken der Stadt willkommene grüne Oasen. Im Jahre1993 wurden im Rahmen der internationalen Gartenausstellung der Höhenpark Killesberg, derLeibfriedsche Garten, die Villa-Berg-Anlagen, der Rosensteinpark sowie unterer, mittlerer und obererSchloßgarten mit hohem Aufwand zu einem zusammenhängenden System verbunden. Dieserneugeschaffenen Einheit droht durch Stuttgart 21 das Zerreißen am beliebtesten und sensibelsten Ort, ander Nahtstelle zwischen oberem und mittlerem Schloßgarten. Der im Volksmund „Glubschaugenriegel“genannte Ingenhovensche Betonwall des nur teilweise vergrabenen S 21-Bahnhofs blockiert diehistorische, uralte Sichtachse Richtung Bad-Cannstatt. Der sogenannte Straßburger Platz, von vielenArchitekten zu Recht als Unort bezeichnet, stellt eigentlich eine Beleidigung der Stuttgarter PartnerstadtStraßburg dar. In Straßburg wird sehr viel unternommen, historische wertvolle Bausubstanz mit derModerne zu verknüpfen, die neue Straßenbahn wurde und wird harmonisch in das Stadtbildhineinkomponiert, was man von der Stuttgarter Stadtbahn, so wertvoll sie ist, nicht gerade behaupten kann.
Kleiner Exkurs in die jüngere Stadtgeschichte
Nach den massiven Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg gefielen sich die Stuttgarter Stadtväterdarin, für den vermeintlichen Fortschritt das wenige erhaltene und wertvolle an alter Bausubstanz erst recht abzureißen. Entschlossener Bürgerwiderstand konnte das Neue Schloß und die ElsässerscheMarkthalle retten, das Kaufhaus Schocken oder das Kronprinzenpalais, das heute im durchausspektakulären Schloßplatz-Gesamtensemble schmerzlich vermißt wird, konnten nicht erhalten werden.Breite Stadtautobahnen waren die Devise der Zeit, Politiker derselben Parteien, die die Zerschneidung derStadt durch die Bahnanlagen als Gleiswüste und schmerzliche Wunde beklagen, hatten keine Problemedamit, den engen Talkessel mit häßlichen, teilweise 10- und mehrspurigen Autoschneisen rücksichtsloszuzupflastern und in voneinander isolierte Sektoren zu zerlegen. Der zu dieser Zeit erbaute, mit demBonatz-Preis ausgezeichnete Kleine Schloßplatz war ein häßlicher Nicht-Ort, der in dieser Form längstwieder beseitigt wurde. Heute konzentriert sich der Kampf der Bürgerschaft auf den Erhalt des HotelsSilber, des Bahndirektionsgebäudes und auf die Rettung des Bonatz-Scholer Bahnhofsbaues. Diesesmarkante und unglaublich durchdachte Gebäude, teilweise bereits amputiert, soll auch noch den Südflügelverlieren, es wird rabiat entkernt und innen perforiert. Ein weltweit geachtetes Denkmal soll einfach sogeschleift werden; der isolierte Restbau würde dann wohl den nicht vorzeigbaren Straßburger Platz unddie Ingenhovensche Perry-Rhodan-Architektur vor den Blicken der Flaneure der unteren Königstraßeschamhaft verbergen.
Das Schicksal des mittleren Schloßgartens bei Stuttgart 21
Durch S 21 wird der mittlere Schloßgarten zur grünen Schlucht, eingezwängt in ein technokratisches,brutales „U“, gebildet aus dem Betonriegel des schief herausragenden Tiefbahnhofes, der unattraktivenBlockbebauung über den ehemaligen Gleisen und den lieblos hingeklotzten Ministeriumsbauten an der B
14. Der mittlere Schloßgarten verkommt so zum Hinterhof für die Zigarettenpausen der Ministerialen. DieSicht auf die vielfach bewunderten Stuttgarter Hügel, das fast mediterrane Flair geht unter. Übrig bleibtein Alibi-Grünstreifen, der niemals ein Gegengewicht zu der wuchtigen, beidseitigen Verbauung seinkann. Überhaupt gibt es ein Hauptproblem bei der Rezeption von Stuttgart 21: Aus der Vogelperspektive(im Turmforum oder im Rathaus) sieht für manche die S-21-Planung recht beeindruckend aus, das seidurchaus zugestanden. Wenn man sich aber Stuttgart 21 in der realen Ebene des Betrachters vorstellt,dann entfaltet es seine ganze Häßlichkeit.
Die wahre Ursache der Verlärmung des unteren Schloßgartens
Lautstark beklagt die CDU die Verlärmung dieses Parks durch die Züge. Diese Aussage ist einehinterlistige Verdrehung des wahren Sachverhaltes. Trotz der hohen Lärmschutzmauer und des von80km/h auf 50km/h abgesenkten, durch scharf eingestellte Radarfallen durchgesetzten Tempolimits hörtman im unteren Schloßgarten vor allem eines: Autos, Autos und nochmals Autos. Die ab und zu akustischwesentlich leiser in Erscheinung tretenden Züge erscheinen dagegen fast als Wohltat für das Ohr desParkbesuchers.
III. Zum Nachdenken: a) Transparancy international“
Beim internationalen Korruptionsindex schließt Deutschland seit Jahren ungünstig ab. Ist es wirklichZufall, daß die skandinavischen Länder, die Niederlande und die Schweiz bei diesem Index immer dieSpitzenplätze einnehmen und gleichzeitig nur sinnvolle Bahngroßprojekte betreiben, die, wie etwa inMalmö, Kapazitätssteigerungen weit über denen von Stuttgart 21 bieten, die aber, wie in Malmögeschehen, ein Jahr früher, als geplant fertiggestellt werden und dabei den Planansatz um rund 10% derKosten unterschreiten?
Falsch gesetzte Anreize
Die Eisenbahn Revue international schreibt in ihrer Ausgabe vom Juni 2011 auf Seite 309:„“Um die ...genannten bahntechnischen Unglaublichkeiten (bei Stuttgart 21) einordnen zu können,müssen aber die Randbedingungen kurz angerissen werden....Hinzu kommen die...ergebnisorientiertenMillionen-Boni des oberen Managements...über die sich bei Rückabwicklung von S 21 empfindlicheVerdienst-Einbussen ergeben würden“ Dieser Tatbestand erklärt zwanglos den verbissenen Eifer, mitdem Bahnvorstand Grube um Stuttgart 21 kämpft. Der Autor Dr. Christoph M. Engelhardt fährtfort:“Für die Kritiklosigkeit der Geldgeber auf Seiten des Landes und der Region mag auch die Näheeiniger von S 21 profitierender Unternehmen zu der früheren baden-württembergischen
Landesregierung eine Rolle gespielt haben, sei es über Parteispenden, Aufsichtsratposten oder Stiftungstätigkeiten.“
b) Pressefreiheitsindex
Der internationale Pressefreiheitsindex plaziert wiederum die Schweiz und Skandinavien ganz vorn.Deutschland konnte sich zwar 2010 vom 23. auf den 17. Platz vorarbeiten, aber ist es wirklichverwunderlich, daß eine freie, investigative Presse unwirtschaftliche Großprojekte wie Stuttgart 21 inSkandinavien verhindern kann? Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten berichteten bis 2008 im wesentlichen nur positiv überStuttgart 21, BILD-Stuttgart macht bis auf den heutigen Tag die Stuttgart-21-Gegner lächerlich. DasGegenteil von Pressefreiheit sind auch steuerfinanzierte millionenteure Werbekampagnen derProjektbefürworter, die mit nachweislichen Falschaussagen aufwarten.
IV. Fazit Warum Stuttgart 21 weder schneller, komfortabler noch zukunftsorientiert ist
Aus all den genannten Argumenten ergibt sich, daß die drei Hauptparameter, mit denen man für Stuttgart21 wirbt, in keiner Weise zutreffen. Weder ist der Bahnhof schneller (eine Beschleunigung ergibt sich imwesentlichen über eine Neubaustrecke nach Ulm, an die der Kopfbahnhof genauso angeschlossen werdenkann, das hat mittlerweile sogar Herr Ramsauer verstanden), noch ist er komfortabler-das reine Gegenteilist der Fall. Schon gar nicht ist er zukunftsorientiert, weil er das derzeit modernste Fahrplankonzept, denintegralen Taktfahrplan, nicht leistet. Die sogenannte Parkerweiterung als Argument ist bei Licht betrachteteine demagogische Verdrehung. Durch den Eingriff in den mittleren Schloßgarten war die Bahnverpflichtet, eine Ausgleichsmaßnahme vorzusehen, die den Verlust an zentraler Stelle der Stadt aberniemals aufwiegen kann.
Ökologie und Ökonomie passen nicht zu Stuttgart 21
Das Argument mit der Ökologie bei Stuttgart 21 ist aufgrund der viel höheren Energieverbräuche blankerHohn, dabei sind die klimatologischen Auswirkungen auf den Stuttgarter Talkessel noch nicht einmalberücksichtigt. Schließlich bleibt noch der Städtebau. Man wirbt mit den freiwerdenden Gleisflächen.Niemand scheint sich aber Gedanken darüber zu machen, daß es sich hier in erster Linie um ehemaligeGüterverkehrsareale handelt. Die freiwerdenden Flächen wurden nämlich, ohne daß dies derÖffentlichkeit groß auffiel, zehn- und zwanzigfach im Umland wieder versiegelt in Form von Lastwagenspeditionen, die großenteils sogar von der DB betrieben werden. Warum gibt es inDeutschland immer weniger Güterverkehr auf der Schiene? Die Antwort ist ganz einfach: weil immermehr Gleisanschlüsse wegfallen! In Stuttgart wurden einzelnen Firmen 1,5 Millionen Euro angeboten,wenn sie auf ihren umweltfreundlichen Schienenanschluß verzichteten. In anderen Ländern hingegen wirdim Güterverkehr voll auf die Schiene gesetzt, an der Spitze die USA (70% Anteil), Schweiz (im Transitauch bereits 70%) oder Schweden (40%). In Deutschland ist der Schienengüterverkehr gegenüber demStraßengüterverkehr inzwischen leider fast vernachlässigbar. Im Vorgriff auf Stuttgart 21 hat manpraktisch alle Güterbahnhöfe in Stuttgart zerstört, bewußt oder unbewußt, das sei dahingestellt. ImZusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 wird für den Schienengüterverkehr, der für unsereexportorientierte Wirtschaft ja so enorm wichtig ist bzw. genauer ausgedrückt, sein sollte, kein Cent ausgegeben. Es gehört zu den allergrößten Merkwürdigkeiten, daß dies der IHK überhaupt nicht störendauffällt, obwohl hier doch ein gewaltiges Wettbewerbshindernis für die hiesige Wirtschaft entsteht.
Irrwitzige KostenrelationenGerade einmal die Hälfte des finanziellen Volumens, das für den neuen Stadtteil in Stuttgart, fürStuttgart 21 und die Neubaustrecke ausgegeben wird, würde ausreichen, um denSchienengüterverkehr in ganz Deutschland zu verdoppeln. Damit ließen sich die unerträglichen Lastwagenkolonnen auf den Autobahnen auflockern, weniger Feinstaub aus Dieselruß entstünde, wenigerschwere LKW-Unfälle würden verursacht und viel geringere Mengen an CO2 würden ausgestoßen.Alleine die Tatsache, daß mit diesen Mitteln in ganz Deutschland soviel Gutes bewirkt werden könnte, belegt schlagend den ganzen Irrsinn dieses Projektes.
Sollen also Stuttgart 21 und die Neubaustrecke gebaut werden?a) Tiefbahnhof Stuttgart 21
Aus allen vorstehenden Ausführungen ergibt sich zwingend, daß Stuttgart 21 auf gar keinen Fall gebautwerden darf. Stuttgart 21 wäre ein nicht wiedergutzumachender Fehler.
b) Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm
Hier ist es schwieriger, eine eindeutige Empfehlung abzugeben, die negativen Argumente überwiegendeutlich, aber es gibt auch positive Gesichtspunkte.
Die wichtigsten Argumente gegen die Neubaustrecke:
a) Die überwundenen Höhenunterschiede sind etwa doppelt so hoch wie bei der Bestandsstrecke.Stuttgart-Flughafen-Wendlingen fast 400m auf und ab, die Alb wird auf 755 über N.N. überquert (zumVergleich: Scheitelpunkt der Bestandsstrecke in Beimerstetten 595 über N.N.)b) Die Steigungen überschreiten teilweise 3% und schließen einen wirtschaftlichen Güterverkehrvollkommen aus. c) Neuere Studien belegen, daß die Neubaustrecke im weiteren Verlauf die Zahl der möglichen Güterzugtrassen gegenüber dem Istzustand auf 55% reduziert. Das ist eigentlich nicht hinnehmbar.d) Die Neubaustrecke ist für einen integralen Taktfahrplan nur dann interessant, wenn die Fahrzeitrealistisch auf unter 30 Minuten gedrückt werden kann. Ansonsten käme man auch mit einer ertüchtigtenFilstalbahn aus, die zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn erheblich schneller war aufgrund besserenGleiszustandes. e) Der Untergrund für die geplanten langen Tunnels ist schwer kalkulierbar. Die Kosten sindwahrscheinlich kaum beherrschbar. f) Die Wirtschaftlichkeit der Investition ist auf dem Hintergrund der zu erwartenden Kostenexplosion undder fehlenden Güterverkehrtauglichkeit nicht gegeben. Die Wirtschaftlichkeit von knapp über 1 wurde nurdurch offensichtliche Manipulation erreicht.g) Die eingesetzten Mittel kannibalisieren womöglich den Ausbau der Gäubahn, Südbahn, Zollernbahn,Rheintalbahn etc.
Die wichtigsten Argumente für die Neubaustrecke:
a) Die Neubaustrecke schafft Kapazitäten auf der Bestandsstrecke, die z.B. für eine Filstal-S-BahnRichtung Göppingen genutzt werden könnten.b) Die Neubaustrecke schafft schnellere Verbindungen aus dem Raum Ulm Richtung Tübingen,Reutlingen (wenn sie denn angeboten werden), Filder etc.c) Die NBS ist durch die Anpaarungen an die A 81 und durch die vielen Tunnels landschaftsschonend.
c) Welche Kompromßlinie ist denkbar, wenn man wenigstens die Neubaustrecke haben möchte?
Man könnte die Neubaustrecke bauen und versuchen, die oben genannten Einwände so gut wie möglichzu berücksichtigen. Da die NBS mit Sicherheit viel teurer als veranschlagt wird (vgl. alle anderen NBS inder BRD), wird sich der Bau länger hinziehen, als erwartet, auch aufgrund der geologischen Situation.Das ergäbe die Möglichkeit, das Alternativprojekt K 21 in der Zwischenzeit in aller Ruhe anzugehen undmit der erforderlichen Planungstiefe zu erarbeiten.
d) Was könnte passieren, wenn auch die Neubaustrecke sich als undurchführbar erweist?
Am Ende des Kapitels „Flughafenanbindung, These 10, wurde hierauf bereits eine Antwort gegeben.
Und wenn Stuttgart 21 scheitert, kommt dann „Gar nichts?“
Oder: was uns alles erspart bleibt, wenn S 21 nicht kommt.
Das ist die große Drohung der Stuttgart-21-Befürworter- aber es ist eine völlig leere Drohung. Selbst wenn das Alternativ-Projekt K 21 nicht käme, wäre es doch unendlich viel besser, wenn der vorhandeneKopfbahnhof erhalten bliebe. Denn nur mit dem jetzigen Kopfbahnhof ist
* ein integraler Taktfahrplan möglich (bei großen Zugzahlsteigerungen hätten auf dem Areal sogarmühelos 20 und mehr Gleise Platz, der Tiefbahnhof wäre jedoch nicht erweiterbar)*gibt es generell kurze Umsteigezeiten*bleiben der mittlere Schloßgarten und die Baudenkmale erhalten*fließt kein Geld für sinnloses Aufreißen der Stuttgarter U-Bahntunnels (dreistellige Millionenbeträge)*braucht man kein irrwitzig teures Grundwassermanagement, das jahrelang viel Energie verbraucht, dasGrundwasser und die Parkbäume gefährdet und die Stadt mit 17 km oberirdischen Röhren verschandelt*müssen keine Schulen verlegt werden*muß kein Busbahnhof verlegt werden*wird kein Mineralwasser gefährdet*werden keine unkalkulierbaren Kostenrisiken eingegangen*bleibt die urbane, wunderschöne Einfahrt in den Kopfbahnhof erhalten*bleibt der Bahnhof barrierefrei *behält die Gäubahn ihre sinnvolle Funktion *kommt es zu keinen Fahrzeitverlängerungen (Gäubahn, raum Cannstatt usw.)
und vieles andere mehr.
Ein Scheitern des Projektes wäre sogar ohne das Zustandekommen des Alternativprojektes K 21 ein riesiger Gewinn.
Aus der Sicht des Verfassers wäre es für die politische Kultur unseres Landes ein Triumph, wenn sich dieVernunft des mündigen Bürgers über Partikularinteressen beteiligter Unternehmen und die geballteUnvernunft der bisher herrschenden Politik durchsetzen würde. Das Scheitern von Wyhl, Kalkar,Wackersdorf und des Transrapid haben unserem Land im nachhinein betrachtet nur gut getan!
Kaum jemand ist traurig darüber, daß diese Großprojekte nicht durchgesetzt werden konnten, imGegenteil, mehr als 90% der Bevölkerung sind wahrscheinlich froh, daß sie nie zustande kamen! Bei Stuttgart 21 wäre es nicht anders. Nicht ohne Grund haben die Stuttgart 21 befürwortenden ParteienCDU, FDP und SPD bei der Landtagswahl am 27.3.2011 teilweise herbe Verluste einstecken müssen.
Soll deshalb K 21 auch nicht gebaut werden?
Damit kein falscher Eindruck aufkommt- ich bin sehr wohl für Großprojekte- nur sinnvoll müssen sieschon sein. Und sinnvoll ist zum Beispiel K 21. Deshalb ist mir der letzte, folgende Absatz auch sowichtig!
Ein wirklich ernstgemeinter, guter Rat an die SPD, die Wirtschaft und insbesondere an die IHK!
Hunderttausende haben sich ehrenamtlich, unter Einsatz von viel Zeit und Geld und sehr oft unterInkaufnahme von persönlichen Nachteilen gegen Stuttgart 21 engagiert. Der Verfasser dieses Papieres rät,diesen Impetus aufzunehmen und das Alternativ-Projekt K 21 zu verwirklichen. Das Engagementzahlloser Bürgerinnen und Bürger würde so auf ein positives, gemeinsames Ziel gelenkt und für unser Land aufgegriffen.
Die mit Stuttgart 21 verfolgten Ziele wären mit K 21 viel besser zu erreichen, ja überhaupt erst zu erzielen.Ja es ist richtig- Herr Herrenknecht könnte keine 66km Tunnelröhren in Stuttgart bohren- aber ebenimmerhin 24km. Lassen es IHK, SPD und die Wirtschaft aber darauf ankommen, Stuttgart 21 oder „garNichts“als Alternative zu definieren, dann spielen sie genauso va banque, wie es die CDU/FDPLandesregierung getan hat, und die verlor bekanntlich die Landtagswahl, indem sie bei Stuttgart 21 undder Laufzeitverlängerung der AKWs den Willen der Bevölkerungsmehrheit sträflich mißachtete.
Für die meisten Stuttgart-21-Gegner hingegen wäre bereits das „Gar nichts“ ein grandioser Erfolg, auch ohne K 21. K 21 ist, auf diesem Hintergrund betrachtet, ein großartiges Angebot an die hiesigeWirtschaft. Begeht die Wirtschaft den Fehler, nicht auf K 21 umzuschwenken, wird sie am Ende womöglich mit leeren Händen dastehen. Auch hier gilt das Wort von Michajl Gorbatschow:„Wer zu spät kommt“, den bestraft das Leben. Noch ist es Zeit, für die SPD, die Wirtschaft und die IHK,umzukehren. Hunderttausende würden sie mit ihrer Hingabe unterstützen! Ein Durchdrücken vonStuttgart 21 gegen alle Vernunft wird diese Menschen für den Rest ihres Lebens gegenüber der bei unsüblichen Politik völlig entfremden, ein Scheitern von Stuttgart-21 ohne gleichzeitige Unterstützung derAlternative K 21 würde in erster Linie der SPD und den hiesigen Unternehmen schaden.
Jürgen Schwab, im April 2011
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Der nebenstehende Text des Vortrags auf unserer gut besuchten Veranstaltung am Mittwoch, dem 27. April 2011 im Württembergischen Kunstverein wurde uns freundlicherweise vom Autor, von Herrn Kirchenmusikdirektor Jürgen Schwab zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen dieser Veranstaltung konnten wir uns nicht nur am gesprochenen Wort, sondern auch an der musikalischen Umrahmung durch das "Concertino Stuttgart" erfreuen.
Fotos von der Vortragsveranstaltung sehen Sie >> hier!