Urheberrechtsklage des Bonatz-Enkels gegen die Deutsche Bahn abgewiesen
Das Landgericht Stuttgart hat am 20. Mai 2010 die Urheberrechtsklage zur Erhaltung der Seitenflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs abgewiesen.
Der Stuttgarter Architekt Peter Dübbers hatte als Enkel des Erbauers des Stuttgarter Hauptbahnhofs Paul Bonatz gegen die Deutsche Bahn AG geklagt, den geplanten Abriss der Seitenflügel des Hauptbahnhofs und der Treppenanlage in der großen Schalterhalle im Rahmen des Projekts "Stuttgart 21" zu unterlassen. Die Klage richtete sich nicht gegen das Verkehrsprojekt an sich oder gegen die Umwandlung von einem Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof, sondern wollte nur die bauliche Integrität des Bauwerks erreichen.
Das Urheberrecht des Erbauers geht auf die Erben über und erlischt erst 70 Jahre nach Tod des Erbauers. Da Paul Bonatz 1956 verstarb gilt das Urheberrecht an seinen Bauwerken noch 16 Jahre bis zum Jahr 2026.
Die Argumentation der Anwälte der Deutschen Bahn AG, dass mit dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2005 eine Planungssicherheit bestehen müsse und die Ansprüche des Urhebers damit nicht mehr eingefordert werden könnten, selbst wenn das Urheberrecht im Planfeststellungsverfahren nicht verhandelt wurde, ist vom Gericht zurückgewiesen worden: Auch ein Planfesstellungbeschluss schließt die zivilrechtlichen Ansprüche eines Urhebers nicht aus.
Das Gericht begründet seine Entscheidung zugunsten der Deutschen Bahn damit, dass nach der komplexen Abwägung der unterschiedlichen Interessen das Erhaltungsinteresse des Urhebers hinter den Modernisierungsinteressen des Eigentümers zurücktreten müsse. Damit seien die Abrissmaßnahmen zulässig, obwohl sie intensive Eingriffe in ein anerkanntermaßen einzigartiges Werk der Baukunst darstellten und seinen Gesamteindruck erheblich veränderten.
Bei einem Funktionsbau wie dem Hauptbahnhof seien die Modernisierungs- und verkehrsstrategischen Weiterentwicklungsinteressen vorrangig, zumal einerseits die prägenden Bauteile des Bahnhofs erhalten blieben und andereseits die Seitenflügel durch die Umwandlung ihre ursprüngliche Funktion und ihren Bezug verlören. Ihr Abriss sei als Konsequenz dieser Funktionsänderung hinzunehmen.
Ein weiterer Aspekt der Abwägung war die Tatsache, dass die Schutzdauer des Urheberrechts im konkreten Fall bereits zu drei Vierteln abgelaufen ist, was die Erhaltungsinteressen laut Gericht relativiere. Während der Verhandlung am 22. April 2010 hatte die Deutschen Bahn AG argumentiert, das Urheberrecht würde im Laufe seiner Schutzdauer "verblassen", hätte also zu Beginn der 70jährigen Frist eine stärker bindende Wirkung, als im letzten Viertel. Der Vorsitzende Richter Bernd Rzymann fand diese Argumentation damals schon überlegenswert und ist dieser Auslegung nun gefolgt.
Die ausführliche Urteilsbegründung des Landgericht Stuttgart findet sich hier:
» Urteilsbegründung
» Marc Hirschfell
Nach der eine Minute dauernden Urteilsverkündung wurde Peter Dübbers von Journalisten umlagert