Freitag, 21. Dezember 12

Offener Brief an Herrn Ministerpräsident Kretschmann


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
 
Ihre Enttäuschung, ja Entrüstung über die Kommunikationsdefizite der Bahn, über das Zurückhalten brisanter Mehrkosten in Milliardenhöhe kann der unbefangene Bürger sicher nachvollziehen. Glaubhaft ist Ihre Reaktion jedoch nicht.
Am Montag hat Frau Staatsrätin Erler gegenüber der versammelten Presse ihr Festhalten an der Volksabstimmung damit begründet, dass die Bürgerinnen und Bürger über Kosten von 6 Milliarden Euro informiert gewesen seien; schließlich sei dies von den Projekt-Gegnern im Vorfeld der Volksabstimmung ja stets behauptet worden.
Ja, wie bitte? Sollen jetzt diejenigen, die den Zahlen der Bahn nie Glauben geschenkt haben, als Zeugen zur Rettung der Volksabstimmung berufen werden? Dann müssen ja auch Sie diese Mehrkosten und damit auch das üble Spiel der Bahn, die ja jeglichen Zweifel an ihren Zahlen stets zurück gewiesen hatte, gekannt haben! Warum dann Ihre Entrüstung? Nur weil die Bahn jetzt endlich öffentlich zugegeben hat, was Sie bereits wussten und die Projektgegner immer vermutet haben?
Wäre Ihre Empörung gegenüber der Bahn nicht wesentlich glaubwürdiger, wenn sie sich nicht in erster Linie gegen die mangelnde Transparenz, sondern vor allem gegen die dreiste Täuschung der Bevölkerung richtete?
 
Sollten Sie allerdings ebenfalls getäuscht worden sein, dann gilt umso mehr, was Professor Wieland, "der Vater der Volksabstimmung", gestern im ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus" festgestellt hat: "Nachdem sich jetzt erwiesen hat, dass der Kostendeckel mit  4,5 Milliarden Euro um einen erheblichen Betrag überstiegen wird", sei die Regierung Kretschmann "nicht mehr an die Volksabstimmung gebunden". Recht hat er!
Das wäre auch für Sie eine ehrliche und glaubhafte Position gegenüber der Bahn und gegenüber der Bevölkerung! Sollten Sie jedoch von den möglichen Mehrkosten gewusst haben, und die Äußerung von Frau Erler legt dies nahe, und deshalb an der Volksabstimmung festhalten wollen, dann ist dies ein zweiter Betrug an den Bürgerinnen und Bürgern! Noch einmal werden diese dies nicht hinnehmen!
 
Angesichts des Desasters: Wagen Sie stattdessen einen Neuanfang; gehen Sie mit den Projektpartnern auf die Bahn zu, vereinbaren Sie einen Ausstieg aus dem Projekt und organisieren Sie den Umstieg auf eine zukunftsfähige Ertüchtigung des Stuttgarter Bahnknotens. Aussteigen zum Umsteigen ist das tatsächliche Gebot der Stunde!
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Dipl. Ing. Frank Eberhard Scholz
Esslingen


 
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